Aufgrund des in Artikel 24 vereinbarten steuerlichen Diskriminierungsverbotes dürften in der Vergangenheit in Einzelfällen im Zusammenhang mit der Einholung von verbindlichen Auskünften beobachtbare Pauschalablehnungen von liechtensteinischen Stiftungen durch einzelne Finanzämter, etwa unter allgemeinem Verweis auf das "schädliche flexible liechtensteinische Stiftungsrecht", wohl künftig als abkommenswidrig und damit als unzulässig einzustufen sein.
Es besteht in diesem Kontext zur Erlangung eines hinreichenden Grades an Rechtssicherheit für die Rechtsanwender und Finanzverwaltungen Deutschlands und Liechtensteins das Bedürfnis, praktikable Auslegungshinweise für den z.T. stark vom OECD-Musterabkommen abweichenden Abkommenstext zu erhalten. Primäre steuerrechtliche Fragen sind hierbei die Klärung der abkommensrechtlichen Ansässigkeit der liechtensteinischen Stiftung und verschiedener anderer stiftungsähnlicher liechtensteinischer Rechtsinstitute sowie die Bestimmung der Reichweite der durch das Abkommen bilateral zu gewährenden Vorteile.
Es soll im vorliegenden Beitrag unterstellt werden, dass seitens des Stifters eine langfristige, unentgeltliche Vermögensübertragung an eine liechtensteinische Stiftung oder ein anderes anteilseignerloses liechtensteinisches Rechtsinstitut intendiert ist, bei der eine tatsächliche Verselbstständigung des Vermögens im Sinne des § 39 dAO und der außensteuerlichen Vorschrift des § 15 Abs. 6 Nr. 1 dAStG tatsächlich erfolgt. Zudem wird unterstellt, dass durch eine geeignete personelle Ausgestaltung der Organe des liechtensteinischen Rechtsinstituts sichergestellt ist, dass eine unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht in Deutschland gem. § 1 dKStG nicht begründet wird, also dass sich insbesondere der Ort der Geschäftsleitung gem. § 10 dAO nicht in Deutschland befindet. Schließlich wird davon ausgegangen, dass ein unter bestimmten Voraussetzungen in Liechtenstein für juristische Personen gegebenes Optionsrecht zugunsten des speziellen Besteuerungsregimes für Privatvermögensstrukturen (Art. 64 flSteG) nicht ausgeübt wird, da allein dies nach Punkt 2. c) der Protokollbestimmungen zu Art. 4 Abs. 1 DBA D-FL eine steuerrechtliche Ansässigkeit ausschließt. Alle diese Annahmen sind für die Gestaltung von in die Zukunft gerichteten Vermögensnachfolgeszenarien deutscher Unternehmer praxisgerecht, da die Vernachlässigung einer oder mehrerer dieser Restriktionen, etwa durch den zivilrechtlich in Liechtenstein (wie auch in Österreich) möglichen Vorbehalt von "starken Stifterrechten" wie z. B. umfassenden Änderungs- oder Widerrufsrechten, die Bestellung des Stifters als Geschäftsleitungsorgan der Stiftung oder auch durch den Abschluss eines sog. Mandatsvertrags, der die Geschäftsleitung an Weisungen des Stifters bindet, unweigerlich zu Anerkennungsproblemen und/oder Doppelbesteuerungen bei der Vermögenswidmung oder im laufenden Betrieb der Stiftung führen würden.
Die Vorgehensweise ist wie folgt: Zunächst wird im zweiten Abschnitt untersucht, ob die Liechtensteinische Stiftung und ggfs. welche anderen stiftungsähnlichen liechtensteinischen Rechtsinstitute für eine abkommensrechtliche Ansässigkeit unter dem neuen DBA qualifizieren.
Das neue Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Liechtenstein enthält in Art. 31 iVm den dazugehörigen Protokollbestimmungen 11–13 recht komplexe ergänzende Regelungen, die in der Lage sind, den Umfang der zu gewährenden Abkommensvorteile für die im zweiten Abschnitt als ansässig qualifizierten liechtensteinische Rechtsinstitute zu beschränken. Diese Regelungen ähneln bis zu einem bestimmten Punkt der deutschen gegen ein mögliches "Treaty Shopping" gerichteten Missbrauchsvermeidungsvorschrift des § 50 d Abs. 3 dEStG. Gegenstand des dritten Abschnitts ist daher eine Auslegung dieser von den Abkommensparteien vereinbarten DBA-Regelungen, um die tatsächliche Reichweite der zu gewährenden Abkommensvorteile zu qualifizieren. Der vierte Abschnitt enthält eine Zusammenfassung und Plausibilisierung der gewonnenen Ergebnisse.