Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Herabsetzung der Erbschaftsteuer (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der Pflichtteilsanspruch der Klägerin nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar sei.
1. Zu den nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG u. a. Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen (§§ 2303 ff BGB). Damit übereinstimmend gilt ein Pflichtteilsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erst dann als Erwerb von Todes wegen, wenn er geltend gemacht wird.
a) Dem bloßen Entstehen des Anspruchs auf einen Pflichtteil mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB) kommt erbschaftsteuerrechtlich noch keine Bedeutung zu, und zwar sowohl gegenüber dem Berechtigten als auch gegenüber dem Verpflichteten. Dieses zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerrechtlichen Folgen eines Pflichtteilsanspruchs ist im Interesse des Berechtigten geschehen und soll ausschließen, dass bei ihm auch dann Erbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch zunächst oder dauerhaft nicht erhebt (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 7. Oktober 1998 II R 52/96, BFHE 187, 50, BStBl II 1999, 23; vom 19. Juli 2006 II R 1/05, BFHE 213, 122, BStBl II 2006, 718, und FG München vom 31. März 2010 II R 22/09, BFHE 229, 374, BStBl II 2010, 806, Rn 11).
b) Die "Geltendmachung" des Pflichtteilsanspruchs besteht in dem ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben. Der Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des Anspruchs zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden (BFH-Urteil in BFHE 213, 122, BStBl II 2006, 718). Ist dies geschehen, entsteht die Erbschaftsteuer für den Erwerb des Pflichtteilsanspruchs (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung. Hinsichtlich des Abzugs des Pflichtteils als Nachlassverbindlichkeit wirkt dessen Geltendmachung hingegen auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer gegenüber dem Erben, also auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) zurück, stellt also ein rückwirkendes Ereignis iSd § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Nachlassverbindlichkeiten können nicht isoliert, sondern nur im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer berücksichtigt werden.
c) Verstirbt der Pflichtteilsverpflichtete seinerseits, bevor der Pflichtteilsanspruch durch Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) oder aus anderen Gründen, etwa aufgrund eines Erlassvertrags (§ 397 Abs. 1 BGB), erloschen ist, geht die Verbindlichkeit gemäß §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB zivilrechtlich auf dessen Erben über, ohne dass es auf die vorherige Geltendmachung des Anspruchs ankommt. Die Verpflichtung zur Zahlung des Pflichtteils stellt dabei abweichend vom Zivilrecht erbschaftsteuerrechtlich nur dann eine vom Pflichtteilsverpflichteten als Erblasser herrührende Schuld und somit eine gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 iVm Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abziehbare Nachlassverbindlichkeit dar, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten des Verpflichteten geltend gemacht hatte oder ihn nunmehr geltend macht. So kann etwa der Berechtigte, der den Verpflichteten nicht beerbt, den Pflichtteil gegenüber dessen Erben geltend machen.
Geschieht dies vor der Verjährung des Anspruchs (§§ 195, 202 Abs. 2 BGB, früher § 2332 Abs. 1 BGB, vgl. dazu Art. 229 § 23 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch), so gilt der Pflichtteilsanspruch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG als Erwerb des Pflichtteilsberechtigten von Todes wegen. Der Erbe des Verpflichteten kann dann die Verbindlichkeit aus dem geltend gemachten Pflichtteilsanspruch gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 iVm Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abziehen. Dies gilt auch dann, wenn der ursprüngliche Verpflichtete nicht damit rechnen musste, den Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten erfüllen zu müssen, und deshalb durch diesen nicht wirtschaftlich belastet war; denn die Geltendmachung des Pflichtteils wirkt, wie bereits dargelegt, hinsichtlich dessen Abzugs als Nachlassverbindlichkeit auf den Eintritt des ursprünglichen Erbfalls (hier: Tod des V) zurück. Der BFH hat bereits mit Urteil vom 2. März 2011 II R 5/09 (BFH/NV 2011, 1147, Rn 87) auf die eingeschränkte Bedeutung des Kriteriums der wirtschaftlichen Belastung des Erblassers für den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten hingewiesen.
Welche Folgen sich ergeben, wenn der Berechtigte den Pflichtteil erst nach dessen Verjährung gegenüber dem Erben des ursprünglichen Verpflichteten geltend macht und dieser den Anspruch trotz der Verjährung erfüllt, kann in der vorliegenden Streitsache dahingestellt bleiben.
d) Ist der Pflichtteilsberechtigte der Alleinerbe des Verpflichteten, so erlöschen sowohl der Pflichtteilsanspruch als auch die entsprechende Verbindlichkeit des ursprünglichen Erben durch die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person (Konfusion, vgl. dazu z. B. Urteil des Bun...