Die Entscheidung des KG steht im Widerspruch zu den allgemeinen und auch hier anwendbaren Grundsätzen des Erbrechts und ist mithin im Ergebnis nicht überzeugend. Es lässt zunächst eine der grundsätzlichen Fragen zum digitalen Nachlass – nämlich die Vererbbarkeit von Daten, welche sich auf einem Server eines Providers befinden, sowie die sich daran anschließende Frage nach der Vererbbarkeit höchstpersönlicher Inhalte des digitalen Nachlasses – bedauerlicher Weise – weitgehend unbeantwortet (hierzu unter a)). Schließlich vermag die Auffassung des KG dahingehend, dass einer Zugangseröffnung zugunsten der Erben das sich aus § 88 Abs. 3 TKG ergebende Telekommunikationsgeheimnis entgegenstehe, nicht zu überzeugen (hierzu unter b)). Den Erben steht richtigerweise – jedenfalls grundsätzlich – ein Anspruch auf Zugangseröffnung hinsichtlich des gesamten Bestands des digitalen Nachlasses des Erblassers zu, da sie rechtlich auch insoweit im Wege der Universalsukzession an dessen Stelle treten.
a) Der digitale Nachlass de lege lata
Der digitale Nachlass mag das geltende Recht aufgrund der zunehmenden Digitalisierung der Gesellschaft zwar vor neue Herausforderungen stellen. Dies ist dem Recht indes immanent und gerade im Hinblick auf die erbrechtlichen Regelungen (§§ 1922 BGB ff), welche seit dem Inkrafttreten des BGB am 1.1.1900 nicht neu formuliert wurden, hat sich bislang gezeigt, dass auch aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen stets mit dem geltenden Recht beherrscht werden konnten, ohne dass es Anpassungen seitens des Gesetzgebers bedurfte. So verhält es sich auch mit der aktuellen Thematik des digitalen Nachlasses, welche sich in das klassische System des Erbrechts einfügt und über eine Auslegung des § 1922 Abs. 1 BGB angemessen lösen lässt.
aa) Grundsatz: Der digitale Nachlass als Bestandteil des Vermögens im Sinne des § 1922 Abs. 1 BGB
Das Erbrecht differenziert nicht zwischen der "realen Welt" und der "digitalen Welt". Es gibt kein Sonderrecht für digitale Lebensbereiche und schon gar kein "digitales Sondererbrecht". Nach dem in § 1922 Abs. 1 BGB normierten Grundsatz der Universalsukzession geht mit dem Erbfall das gesamte Vermögen, mithin sämtliche Rechte und Verbindlichkeiten (vgl. § 1967 BGB), des Erblassers auf den Erben über. Dieser tritt somit grundsätzlich vollumfänglich in sämtliche Rechtsbeziehungen des Erblassers zu Rechtsobjekten und Rechtssubjekten ein. Etwas anderes gilt nur im Hinblick auf höchstpersönliche Rechte des Erblassers (wie etwa das Namensrecht etc.) und Schuldverhältnisse mit überwiegendem Personenbezug. Erstere gehen in der Regel mit Tod des Erblassers unter. Letztere sind dann nicht vererbbar, wenn damit – entsprechend dem Rechtsgedanken des § 399 BGB – aufgrund der besonderen Personenbezogenheit eine inhaltliche Veränderung der Leistungsbeziehung einhergeht.
Im Hinblick auf den digitalen Nachlass bedeutet dies im Einzelnen:
Daten, die sich auf einem verkörpertem Speichermedium, welches im Eigentum des Erblassers stand befinden (bspw. Daten auf einem Speicherstick oder einer Festplatte, von einem Server abgerufene und auf dem PC des Erblassers gespeicherte E-Mails etc.), gehen mit dem Eigentum an dem Speichermedium unproblematisch nach § 1922 Abs. 1 BGB auf den Erben über.
Im Hinblick auf Daten, die sich auf Servern einzelner Provider befinden (bspw. Daten in einer Cloud, nicht abgerufene E-Mails auf einem E-Mail-Server, Nachrichten und Inhalte eines Sozialen Netzwerks wie bspw. Xing, Facebook etc.), tritt der Erbe gemäß § 1922 BGB in die Vertragsbeziehungen des Erblassers zu den einzelnen Providern ein, sodass auch sämtliche sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten (sowohl Haupt- als auch Nebenleistungspflichten) auf den Erben übergehen. Dem Erben stehen daher die gleichen Rechte gegenüber dem Provider zu wie dem Erblasser und somit grundsätzlich auch das Recht auf Zugangseröffnung hinsichtlich sämtlicher Daten, welche sich auf dem Server einzelner Provider befinden.
Davon geht im Grundsatz auch das KG aus. Der digitale Nachlass fällt mithin unter den weiten Vermögensbegriff des § 1922 BGB und ist grundsätzlich nicht anders zu behandeln wie der "klassische" Nachlass.