Wenden wir uns nun der eigentlichen Urteilsbegründung zu. Bevor wir hier näher auf § 88 Abs. 3 TKG eingehen, vorab noch eine Anmerkung zu der Frage der Bestimmtheit des Klageantrags, mit der sich das Gericht näher befasst.
1. Bestimmtheit des Klageantrags
Die klagende Mutter der Verstorbenen hatte beantragt "die Beklagte zu verurteilen, der Erbengemeinschaft, bestehend aus …, Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten der verstorbenen … bei dem sozialen Netzwerk Facebook unter dem Nutzerkonto “…‘ zu gewähren."
Facebook hatte gerügt, es sei unklar, was mit den Begriffen "Kommunikationsinhalte" und "Zugang" gemeint sei. So sei nicht erkennbar, ob die Klägerin nur Zugriff zu Kommunikationen oder bspw. auch auf hochgeladene Urlaubsfotos und ähnliche Inhalte erlangen wolle.
Diesen Einwand lässt das KG Berlin zu Recht nicht gelten. Mit der Nennung des Benutzerkontos und der "darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalte" hebt die Klägerin lediglich einen Aspekt der möglicherweise gespeicherten Inhalte hervor, beschränkt ihr Klagebegehren aber nicht auf diesen. Indem die Klägerin aber Zugang zu dem "vollständigen Benutzerkonto" verlangt, wird deutlich, dass es ihr um alle mit dem Benutzerkonto zugänglichen Inhalte geht, wie das KG Berlin zutreffend ausführt (Rn 57).
Auch das Zugangsverlangen ist hinreichend bestimmt. Mit dem Begriff "Zugang" ist ein bestimmter Zustand oder Erfolg beschrieben, dessen Eintritt derzeit durch die Einrichtung des Gedenkzustands verhindert wird. Insoweit kann auf die Rechtsprechung zur Bestimmtheit des Klageantrags bei Beseitigung einer Störung oder eines Mangels zurückgegriffen werden. Dazu das KG Berlin (Rn 58): "In den Fällen der Beseitigung einer Störung bzw. eines Mangels genügt es für die Bestimmtheit des Antrags, den begehrten Erfolg zu bezeichnen, während die Wahl zwischen mehreren zur Beseitigung geeigneten Mitteln dem Schuldner verbleibt (...)".
Dem KG Berlin kann aber nicht gefolgt werden, soweit es den Klageantrag dahingehend auslegt, die Erbin verlange damit "die Ermöglichung des Zugriffs auf die im Account befindlichen Inhalte im Sinne eines passiven Leserechts" (Rn 58). Es geht um mehr als ein "passives Leserecht". Der Zugang zu dem Benutzerkonto ermöglicht dessen vollständige Nutzung bis hin zur Löschung des Benutzerkontos. Das Informationsinteresse der Erben dürfte zwar die entscheidende Motivation für die Klage sein. Das rechtfertigt aber nicht die einschränkende Auslegung des Klageantrags. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erben als Rechtsnachfolger der Verstorbenen nur einen eingeschränkten und nicht den vollen Zugang zum Benutzerkonto erlangen wollen. Eine andere Frage ist die, ob sie das Benutzerkonto auch uneingeschränkt nutzen dürften. Das ist allerdings keine Frage der Auslegung des Klageantrags, sondern eine der Begründetheit des durch einen solchen Antrag geltend gemachten umfassenden Anspruchs.
2. § 88 Abs. 3 TKG als entscheidende Regelung?
Die Urteilsbegründung des KG Berlin ist, was angesichts der Bedeutung und der Diskussion um das Thema nicht verwundert, sehr ausführlich ausgefallen. Der zentrale Argumentationsgang des Gerichts ist trotzdem recht einfach: Es könne dahinstehen, so das KG Berlin, ob durch den Erbfall der Anspruch der Verstorbenen aus dem Nutzungsvertrag mit Facebook auf Zugang zu dem Benutzerkonto auf die Eltern übergegangenen ist, denn einen solchen Anspruch dürfte Facebook, so das KG Berlin weiter, aufgrund § 88 Abs. 3 TKG nicht erfüllen, womit ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit (§ 275 BGB) vorliege.
Die Regelung des § 88 Abs. 3 TKG steht spätestens seit der Stellungnahme des DAV zum digitalen Nachlass im Zentrum der Diskussion über dieses Thema. § 88 Abs. 3 TKG bestimmt, dass es Dienstanbietern untersagt ist, "sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen." Dienstanbieter, so der weitere Inhalt der Regelung, "dürfen Kenntnisse über Tatsachen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, nur für den in Satz 1 genannten Zweck verwenden. Eine Verwendung dieser Kenntnisse für andere Zwecke, insbesondere die Weitergabe an andere, ist nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere gesetzliche Vorschrift dies vorsieht und sich dabei ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge bezieht."
Der DAV kommt insbesondere aufgrund der Ausführungen von Mayen zu dem Ergebnis, dass es an einer Vorschrift fehlt, die es Dienstanbietern gestattet, den Erben Kenntnis "vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation" des Erblassers mit seinen Kommunikationspartnern "zu verschaffen". Deshalb, so der DAV, bedürfe es, damit Erben auf in E-Mail-Konten oder in Benutzerkonten bei sozialen Netzwerken gespeicherten Kommunikationsinhalte des Erblassers zugreifen dürfen...