Einführung
Diese Entscheidung des KG Berlin ist aus mehreren Gründen falsch. Die vorliegende Urteilsbesprechung wird sich allerdings nicht mit allen diesen Gründen befassen. Da das KG Berlin den geltend gemachten Zugangsanspruch letztlich an § 88 Abs. 3 TKG hat scheitern lassen, bildet dieser Aspekt den Schwerpunkt der Besprechung.
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Das KG Berlin ist in seinem hier zu besprechenden Urteil zu dem Ergebnis gekommen, Facebook sei nicht dazu verpflichtet, den Eltern als den Erben ihrer im Alter von 15 Jahren tödlich verunglückten Tochter Zugang zu dem Benutzerkonto ihrer Tochter bei Facebook zu gewähren. Selbst wenn die Eltern als Erben und Rechtsnachfolger ihrer Tochter in den von ihr mit Facebook geschlossenen Nutzungsvertrag eingetreten sein sollten, stehe, so das Gericht, der Erfüllung eines etwaigen Anspruchs der Eltern auf Zugang zu dem Benutzerkonto und Durchsicht der dort gespeicherten Kommunikationsinhalte jedenfalls das Fernmeldegeheimnis der Kommunikationspartner der Verstorbenen entgegen. Ein Recht zum Eingriff in das Fernmeldegeheimnis der Kommunikationspartner hätten die Eltern nicht, sodass Facebook auch im Fall einer Rechtsnachfolge durch die Regelung des § 88 Abs. 3 TKG an der Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs auf Zugang zu dem Benutzerkonto gehindert sei. Es liege somit jedenfalls ein Fall der rechtlichen Unmöglichkeit gem. § 275 BGB vor (Rn 74).
I. Auslassungen in der Sachverhaltsdarstellung und unbegründete Wertungen
Bevor wir uns aber dieser Frage zuwenden, geben zwei auf den ersten Blick eher unscheinbare Punkte Anlass für eine grundlegende Kritik.
1. Auslassung wesentlicher Sachverhaltsdetails?
Die damals 15jährige Erblasserin verunglückte, wie das KG Berlin ausführt (Rn 5), im Jahr 2012 "unter bisher ungeklärten Umständen tödlich. Sie wurde im Berliner U-Bahnhof Schönleinstraße von einer einfahrenden U-Bahn erfasst und verstarb wenig später im Krankenhaus." Ihre Eltern traten in Erbengemeinschaft die Rechtsnachfolge an. Um die Umstände des Todes ihrer Tochter aufzuklären, wollten sich die Eltern mit den ihnen zur Verfügung stehenden Zugangsdaten bei dem Benutzerkonto ihrer Tochter bei Facebook anmelden. Sie erhofften sich dadurch insbesondere Aufschluss darüber, ob ihre Tochter Suizid begangen hatte. Allerdings hatte Facebook in der Zwischenzeit – ebenfalls auf noch ungeklärte Art und Weise – von dem Tod der Erblasserin erfahren und ihr Benutzerprofil nach Maßgabe der Nutzungsbedingungen von Facebook in den "Gedenkzustand" versetzt. Auf ein von Facebook in den Gedenkzustand versetztes Benutzerkonto kann man auch dann nicht mehr zugreifen, wenn man sich im Besitz der Zugangsdaten befindet.
Das LG Berlin hatte in seinem erstinstanzlichen Urteil dazu noch Folgendes ausgeführt: Der "Fahrer der U-Bahn, die die Verstorbene erfasste, forderte die Eltern der Erblasserin als Erben zur Zahlung von Schadensersatz in Form eines Schmerzensgeldes auf. Begründet wurde der geltend gemachte Anspruch (...) damit, dass die Erblasserin ihren Tod bewusst herbeigeführt und ihn dadurch zumindest fahrlässig geschädigt habe."
Das KG Berlin nimmt zwar Bezug auf die Sachverhaltsdarstellung des LG Berlin, erwähnt den Umstand der Schadensersatzforderung des Fahrers der U-Bahn aber nicht mehr. Diese Auslassung ist aus meiner Sicht symptomatisch für den grundlegenden Fehler des KG Berlin: Indem es das Schadensersatzbegehren des Fahrers der U-Bahn in seiner Sachverhaltsdarstellung (bewusst?) nicht anspricht, bereitet das Gerichtden Boden dafür, die Interessen der Erben an der Zugangsgewährung in seiner Urteilsbegründung nicht zu berücksichtigen.
2. "Verständnis für das Anliegen der Klägerin"?
In einer zunächst eher unscheinbaren Passage der Urteilsgründe, und zwar eingangs der Darstellung der Begründetheit (Rn 52), führt das KG Berlin zwar wörtlich aus, es habe "vollstes Verständnis für das Anliegen der Klägerin und des Vaters der Erblasserin, das Facebook-Account ihrer Tochter durchzusehen, um die Hintergründe ihres tragischen Todes auf diese Weise etwas erhellen zu können." Der Senat sehe "sich aber rechtlich daran gehindert, diesem Ansinnen zum Erfolg verhelfen zu können".
Das Gericht ist ausweislich dieser Passage also der Auffassung, der Einblick in das Benutzerprofil der Verstorbenen bei Facebook könne die Hintergründe ihres tragischen Todes "etwas erhellen".
Diese Formulierung macht stutzig. Woher weiß das Gericht, dass die Zugangsgewährung zu dem Benutzerkonto allenfalls zur "Erhellung" der Umstände des Todes wird beitragen können – und dann auch nur "etwas"? Vielleicht finden sich in dem Benutzerkonto eindeutige Hinweise auf die Seelenlage der Erblasserin kurz vor dem Unglück; oder man findet sogar Aussagen aus denen sich k...