Damit kann und muss die Leistung auch gegenüber den Erben als neuen Vertragspartnern erbracht werden.
1. Erfüllung der Hauptpflicht
Statt des Erblassers sind nunmehr den Erben die Kommunikationsinhalte zu vermitteln. Die Erfüllung dieser Pflicht ist Hauptpflicht aus dem Vertrag zum Provider. Wenn der Provider diese nunmehr gegenüber dem Erben als seinem neuen Vertragspartner erfüllt, verstößt er ebenso wenig gegen § 88 TKG, wie als ob er diese Pflicht gegenüber seinem bisherigen Vertragspartner, dem Erblasser, erfüllt hat. Gemäß § 1922 BGB in das Vertragsverhältnis zum Provider eingetreten, ist der Erbe auch iSd TKG nicht Dritter!
Deshalb bedarf es auch keiner Regelung iSd "kleinen Zitiergebotes" des § 88 Abs. 3 TKG; denn mit der Erfüllung der Pflichten gegenüber den Erben als neuen Vertragspartnern tut der Provider nichts, was "über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste (...) erforderliche Maß hinaus" geht. Vielmehr erfüllt er den Vertrag, der den Provider verpflichtet, "Kommunikationsinhalte zu vermitteln" und zwar an seinen Vertragspartner, den Inhaber des Accounts. Der Provider gibt auch nicht "Kenntnisse", "die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen" "an andere" weiter (§ 88 TKG). Denn ebenso wenig wie die Erben "Dritte" sind, sind sie "andere" iSd § 88 TKG, sondern Beteiligte am Kommunikationsvorgang. Ebenso wenig wie es einer ausdrücklichen Bestimmung bedarf, die es den Providern erlaubt, an den Erblasser zuzustellen, bedarf es einer solchen zur Zustellung an die Erben nach dem Tod des Erblassers.
2. Rechte der Absender
Auch dem Absender haben die Provider nicht versprochen, an eine bestimmte Person zu übermitteln (die Identität der User wird von den Providern regelmäßig gar nicht geprüft, wie auch das KG zutreffend feststellt). Sie haben sich allein verpflichtet, an einen bestimmten Account, an ein bestimmtes elektronisches Postfach zu übermitteln.
Facebook und andere Provider würden sich sicher genau hierauf berufen, wenn ein Absender ihnen einen Verstoß gegen das TKG vorwerfen würde, weil sie an ein Postfach zugestellt haben, das in Wahrheit nicht dem Adressaten gehört, dem der Absender vertraut, sondern einer Person, die diesen aushorchen will. Insoweit könnte die Argumentation von Facebook gegen das Zugangsrecht der Erben unter dem Deckmantel des "Schutzpatrons der Persönlichkeitsrechte von Absender und Erblasser" sich selbst und anderen Providern einen Bärendienst mit seiner Argumentation erweisen.
3. Keine entscheidende Änderung der Situation
Es tritt auch nicht – wie das KG (erneut ohne jegliche Nachweise oder Auseinandersetzung mit der bisher in der Literatur geführten Diskussion) postuliert – mit dem Erbfall "eine entscheidende Änderung der Situation" ein. Das würde nämlich bedeuten, dass die Provider mit Eintritt des Erbfalls keinesfalls mehr leisten dürften. Dann aber müssten sie sicherstellen, dass der Erbfall noch nicht eingetreten ist, indem sie vor jeder Zustellung einen entsprechenden Nachweis verlangen. Wie ein solcher Nachweis aussehen soll, bleibt offen. Ein solch zwingender Habitus würde bei den Providern sicher auf Ablehnung stoßen. Zu Recht! Genau das sucht das Erbrecht mit der Universalsukzession und dem darin begründeten Kontinuitätsgedanken zu verhindern.
4. Vergleich mit dem Postgeheimnis, § 39 Abs. 4 PostG
Das Telekommunikationsgeheimnis reicht insoweit auch nicht weiter als das Postgeheimnis. Auch aus § 39 Abs. 4 S. 2 PostG ergibt sich nichts anderes.
a) Parallele Vorschriften in PostG und TKG; Unterschiede systemimmanent
Nachdem § 39 Abs. 3 PostG sich inhaltlich nahezu wortgleich mit § 88 Abs. 3 TKG deckt, sieht § 39 Abs. 4 PostG Ausnahmen vor: "Die Verbote des Absatzes 3 gelten nicht, soweit die dort bezeichneten Handlungen erforderlich sind, um 1. bei entgeltbegünstigten Postsendungen das Vorliegen tariflicher Voraussetzungen zu prüfen, 2. den Inhalt beschädigter Postsendungen zu sichern, 3. den auf anderem Weg nicht feststellbaren Empfänger oder Absender einer unanbringlichen Postsendung zu ermitteln, 4. körperliche Gefahren abzuwenden, die von einer Postsendung für Personen und Sachen ausgehen. Die Auslieferung von Postsendungen an Ersatzempfänger im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung mit dem Absender ist zulässig."
Dass sich diese Ausnahmen in § 88 TKG nicht finden, liegt ausnahmslos in der unterschiedlichen Natur dessen begründet, was zugestellt werden soll:
▪ |
Will der Absender eine Postkarte entgeltbegünstigt verwenden, kann er dies nicht in einem verschlossenen Umschlag tun, weil dann die Voraussetzungen für die Entgeltbegünstigung von der Post nicht geprüft werden können. Solche "Entgeltbegünstigungen" gibt es bei Providern nicht. |
▪ |
Ein beschädigter Briefumschlag oder Versandkarton muss ersetzt werden, um den Inhalt der Sendung zu schützen. Wer hin... |