1. Formelle Rechtmäßigkeit
Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen sind verfahrensrechtlich Steuerbescheide, die Formvorschriften für Steuerbescheide gelten entsprechend. Es gilt eine besondere Festsetzungsfrist; sie beträgt nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO ein Jahr. Der Beginn der Festsetzungsfrist ist vom Ablauf des Jahres abhängig, in dem die hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden sind, nicht aber vor Ablauf des Jahres des rechtskräftigen Abschlusses des Strafverfahrens. Die Festsetzungsfrist läuft mit Ablauf des dem Beginn folgenden Jahres ab. Im Zinsbescheid sind die Voraussetzungen der Steuerhinterziehung, Höhe und Umfang der hinterzogenen Steuern selbstständig, d. h. unabhängig von einem ergangenen Steuerbescheid, zu ermitteln und zu berechnen. Hinterziehungszinsen sind für jeden Besteuerungszeitraum (Veranlagungszeitraum, Voranmeldungszeitraum) oder Besteuerungszeitpunkt gesondert zu berechnen. Einzelne, aufeinanderfolgende Steuerhinterziehungen sind nicht als eine Tat zu würdigen, sondern als selbständige Taten zu behandeln. Das gilt auch, wenn das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO geschätzt hat. Die Zinsberechnung ist im Bescheid oder einer Anlage dazu darzulegen, insb. wenn mehrere Steuern und oder mehrere Zeiträume betroffen sind. Grds. sind zur Abwehr von Hinterziehungszinsen entsprechend die ordnungsgemäße Bekanntgabe, Adressierung, Bezeichnung des Inhaltsadressaten usw., Begründung mit Darstellung der Zinsberechnung, Einhaltung der Festsetzungsfrist (§ 239 Abs. 1 AO mit Sonderregelung in § 239 Abs. 1 Nr. 3 AO) und im Fall von Änderungen die Einhaltung der Korrekturvorschriften kritisch zu überprüfen. Die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen nach § 235 AO sind gesondert festzustellen, soweit diese an Sachverhalte anknüpfen, die Gegenstand des Grundlagenbescheids sind. Insofern sind derartige Feststellungsbescheide Grundlagenbescheide iSd § 171 Abs. 10 AO zum Zinsfestsetzungsbescheid. Derartige Feststellungen sind nicht (mehr) im Rahmen des Zinsfestsetzungsbescheides anfechtbar!
2. Bemessungsgrundlage
Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen richtet sich nach dem tatsächlich hinterzogenen Steuerbetrag und nicht akzessorisch nach dem festgesetzten Steuerbetrag. In der Regel wird der im Strafverfahren zugestandene/festgestellte Betrag als Bemessungsgrundlage herangezogen. Bei Schätzungen können die geschätzten Steuern nicht ohne Weiteres als hinterzogen angesehen werden. (Schenkung-)Steuerbescheide sind keine Grundlagenbescheide iSd § 171 Abs. 10 AO für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO. Diese Rechtslage ermöglicht es, im Rahmen eines Hinterziehungszinsbescheids (nochmals) Einwendungen zur materiell-rechtlich zutreffenden Steuerfestsetzung vorzubringen. Die Prüfung des Zinsbescheides muss sich also auf die (richtige) Ermittlung und Berechnung des tatsächlich hinterzogenen Steuerbetrags konzentrieren. Ist z. B. im Schenkungsteuerbescheid von einem falschen Entstehungszeitpunkt der Schenkungsteuer ausgegangen worden, kann der richtige (spätere) Entstehungszeitpunkt zu einem kürzeren Zinslauf führen. Da das Finanzamt die Bemessungsgrundlage grds. selbst feststellen muss (was im Einzelfall aus Beweisgründen schwierig ist), kann speziell in Schätzungsfällen mit guten Erfolgsaussichten über die zugrunde zu legenden hinterzogenen Steuerbeträge verhandelt werden.
Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben gem. § 235 Abs. 3 Satz 3 AO die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt (§ 235 Abs. 3 Satz 3 AO). Änderungen des Steuerbescheides vor Ende des Zinslaufes sind bei der Zinsfestsetzung bzw. durch deren Korrektur nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu berücksichtigen.
3. Schuldnerschaft von Hinterziehungszinsen bei Schenkungen und Erbfällen
In diesem Zusammenhang ist auf das Urteil des BFH v. 28.3.2012 hinzuweisen. Ein Steuerpflichtiger kann auch Schuldner von Hinterziehungszinsen sein/werden, wenn der Steuerpflichtige persönlich keine Steuerhinterziehung begeht/begangen hat und ein Dritter für ihn eine unrichtige Steuererklärung abgibt und daraufhin gegen ihn als den Schuldner der hinterzogenen Steuer keine oder eine zu niedrige Steuer festgesetzt wird. Generell gilt damit, dass gegen Beschenkte, Erben, Miterben Hinterziehungszinsen festgesetzt werden können, wenn und soweit zu ihrem Vorteil Steuern...