In einem aktuellen Beschluss vom 6.12.2018 hat das OLG München dennoch den Antrag auf Einziehung eines Alleinerbscheins durch einen Abkömmling nicht als "Pflichtteilsverlangen" mit der Folge der Enterbung des Abkömmlings für den zweiten Erbfall angesehen. Zuvor war es in seiner Entscheidung vom 7.4.2011 davon ausgegangen, dass das Fordern des gesetzlichen Erbteils einem Pflichtteilsverlangen gleichzustellen ist.
Grundsätzlich lagen beiden Entscheidungen ähnliche Sachverhalte zugrunde: Die jeweiligen Ehepartner setzten sich gegenseitig für den ersten Erbfall zu Alleinerben ein. Des Weiteren enthielten die streitigen letztwilligen Verfügungen eine Pflichtteils(straf)klausel, wobei beide Klauseln von einer "Forderung" bzw. einem "Verlangen" des Pflichtteils als zu sanktionierendem Verhalten des Abkömmlings ausgehen. Der überlebende Ehegatte beantragte jeweils in beiden Fällen auf Ableben des erstverstorbenen Ehepartners einen Erbschein, der ihn als Alleinerbe auswies. Einer der Abkömmlinge der Ehepartner trat jeweils (im Ergebnis erfolglos) der Erteilung des beantragten Erbscheins entgegen bzw. beantragte dessen Einziehung. Dies wurde jeweils unter anderem mit der Erhebung von Einwänden gegen die Wirksamkeit des Testamentes begründet (z. B. dass der erstversterbende Ehegatte kein formgültiges Testament hätte errichten können und ein fehlender Testierwille). Entscheidungsgegenstand waren jeweils auf Ableben des überlebenden Ehegatten gestellte Erbscheinanträge der Abkömmlinge entsprechend der in den ehegemeinschaftlichen Testamenten angeordneten Schlusserbeneinsetzung.
Während das OLG München in seiner Entscheidung vom 7.4.2011 in einem Erst-Recht-Schluss (sinngemäß: wenn schon die Geltendmachung des Pflichtteils zum Eingreifen der Klausel führt, dann auch die Geltendmachung einer Position als Miterbe) zu dem Ergebnis kam, dass der Angriff der Alleinerbeneinsetzung des überlebenden Ehegatten in dem vorliegenden Fall zu einem Eingreifen der Pflichtteilsklausel führt, lehnte es dies in dem der Entscheidung vom 6.12.2018 zugrunde liegenden Sachverhalt ab. Begründet hat es dies damit, dass mit dem Antrag auf Einziehung des den überlebenden Ehegatten als Alleinerben ausweisenden Erbscheins noch kein "Verlangen", d. h. kein aktiver Zugriff auf den Erbteil des überlebenden Ehegatten verbunden sei. Spreche die jeweilige Klausel von einem "Verlangen" des Pflichtteils, so kann dem Testament kein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, dass schon der Angriff der Alleinerbeneinsetzung des überlebenden Ehegatten mit dem Ziel des Partizipierens an dem Nachlass des Erstversterbenden das Eingreifen der Pflichtteilsklausel zur Folge haben soll. Formuliere die Klausel dagegen, dass ein "Anfechten des Testamentes" sanktioniert werden soll, so könne ggf. bereits der Antrag auf Einziehen des Erbscheins die Klausel auslösen.