Das Gesetz lässt den Testamentsvollstrecker bei der Nachlassverwaltung allein, mehr als die allgemeinen Vorgaben der §§ 2205, 2216 und 2217 BGB gibt es nicht. Daher ist der Testamentsvollstrecker für rechtmäßige und rechtssichere Verwaltungsentscheidungen auf die gesetzliche Systematik und diese beachtende Rechtsprechung dringend angewiesen. Die seit langem unklare Rechtsfrage, was der Dauervollstrecker tun muss, wenn der Erbe zweckgebunden Nachlassnutzungen herausverlangt, ohne dass der Erblasser dies mit seiner Testierfreiheit über § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB als Anspruch für den Erben ausgestaltet hat, hat die Rechtsprechung nun entschieden: sofern der Erbe bedürftig wird und daher für seinen Unterhalt Nachlasserträge braucht, kann dies der Erbe vom Testamentsvollstrecker "verlangen". Dasselbe soll gelten bei nachlassbedingten Steuerlasten des Erben. Dies ergibt sich aus den Beschlüssen des BGH vom 24.7.2019 – XII ZB 560/18 und OLG Frankfurt/Main vom 15.2.1916 – 8 W 59/15. Diese Beschlüsse setzen aber auch – und dies ist für den Testamentsvollstrecker mindestens genauso wichtig – die bisherige BGH-Rechtsprechung fort, wonach der Testamentsvollstrecker selbst dann die Entscheidungshoheit über die Thesaurierungsfrage behält, sofern der Anspruchsteller diese zweckgebundene Nutzungsherausgabe "verlangt", also (womöglich seiner Meinung nach) einen Anspruch im strengen Sinne geltend macht. Aber der Bezug auf die bisherige BGH-Rechtsprechung, ihre Fortsetzung und Anwendung auf unseren Fall zeigt, dass der BGH genau das nicht will und die Entscheidungshoheit des Testamentsvollstreckers auch bei den nun anerkannten Fallgruppen schützt. Die beiden Beschlüsse führen bei den beiden Forderungsgründen des Erben zu einer Ermessenseinschränkung bei der Thesaurierungsfrage. Wie die Ermessenseinschränkung in der Praxis aussieht, blieb offen. Es gibt keine Rechtsprechung zur konkreten Umsetzung der Fallgruppen durch den Testamentsvollstrecker. Er sollte sich daher auf die Grundstruktur des Gesetzes und die ständige BGH-Rechtsprechung besinnen, um zu einer rechtssicheren Entscheidung mit ausreichender Begründung zu kommen. Der Testamentsvollstrecker kann und muss wie bisher die Forderung des Erben auf zweckgebundene Erlösauskehr ablehnen, sofern dies das objektive Nachlassinteresse gebietet und das Nachlassinteresse dem Testamentsvollstrecker keine andere Wahl lässt, BGHZ 25, 275, (279, 280). Andernfalls muss der Testamentsvollstrecker auf das wirtschaftliche Optimum für den Nachlass verzichten, um an den Erben Nachlassnutzungen zweckgebunden auszahlen zu können. Für diese Entscheidungswege braucht der Testamentsvollstrecker ausreichende Informationen vom darlegungs- und beweispflichtigen Erben. Offen blieb auch eine weitere, für die Rechts- und Haftungssicherheit des Testamentsvollstreckers zentrale Frage: Wie begründet man diese Einschränkung, insbes. auch bei der Erbengemeinschaft? Dazu wurden hier die hinter § 2216 I BGB stehenden Verfassungsrechte der Beteiligten herangezogen. Dadurch erhält der Erbe nicht nur eine eigenständige Rechtsgrundlage für sein Ansinnen, sondern der Testamentsvollstrecker auch Rechtssicherheit: er kann und ggf. muss die im Einzelfall vorliegenden Rechte aller Beteiligten konkret abwägen. Dabei zeigt das Verfassungsrecht auch, dass die vom BGH judizierte grundsätzliche Thesaurierungsbefugnis des Testamentsvollstreckers als Grundregel des § 2216 Abs. 1 BGB auf der Testierfreiheit des Erblassers beruht und sich erst davon die Rechtsposition des Erben ableitet. Die bisherigen, monokausalen Begründungen im Schrifttum leisten diese Begründung und auch den darauf beruhenden Abwägungsvorgang m.E. nicht: Mit dem Argument des mutmaßlichen Erblasserwillens zu § 2216 Abs. 1 BGB wird pauschal eine planwidrige Regelungslücke behauptet, die indes und in der Sache eine unzulässige Neuschöpfung einer Verfügung von Todes wegen ist, weil eine Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB fehlt und so auch § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB nicht anwendbar wäre (vgl. Teil 2 Abschnitt III., ZErb 2020, 198 ff.). Die Urteile des Reichsgerichts aus 1918 und 1920 nahmen die Fallgruppe der Erbenunterhalts aufgrund Bedürftigkeit zwar vorweg, sind aber nur noch in diesem Sinne von Bedeutung aufgrund und seit BGHZ 25, 275. Der Testamentsvollstrecker kann daher nach diesem Lösungsvorschlag von Jahr zu Jahr, ja ggf. von Monat zu Monat neu entscheiden – und er wird zugunsten des Erben (nur) entscheiden müssen, sofern dies mit dem objektiven Nachlassinteresse vereinbar ist im o.g. Sinne. Der Testamentsvollstrecker unterliegt bei seiner zweckgebundenen Zahlung keiner Selbstbindung, er muss die Sach- und Rechtslage immer wieder prüfen, wie es der Einzelfall sachlich und zeitlich verlangt. Die jüngere Fallgruppe der nachlassbedingten Steuern folgt diesen Grundsätzen, wird aber in der Praxis eine geringere Rolle spielen. Bei den nachlassbedingten Ertragsteuern ist die Erbenposition deutlich schwächer, weil das Erbenerwerbsrecht nach Art. 14 Abs. 1 S. ...