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In den Teilen 1 und 2 erreichten wir insoweit Sicherheit, als dass der Testamentsvollstrecker die Entscheidungshoheit über die Verwendung der Nachlasserträge auch dann nicht verliert, sofern der Erbe Nachlassmittel braucht und verlangt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, Unterhaltspflichten zu erfüllen, denen er selbst zwingend ausgesetzt ist, oder um nachlassbedingte Steuern zu bezahlen. Wie der Testamentsvollstrecker diese Entscheidung i.E. vornehmen muss und, anhand welcher rechtlicher Begründung, blieb in den Beschlüssen von BGH und OLG Frankfurt offen und konnte bislang nicht ausreichend vom Schrifttum geklärt werden. Dafür soll nun ein eigener Vorschlag unterbreitet werden. Dabei sollen der Gleichbehandlungsgrundsatz und die praxisrelevante Situation einbezogen werden, dass nur einer der beiden Miterben Unterhalt braucht und hierfür vom Nachlass Nutzungen heraus verlangt.
I. Die Rechtsprechung zur gerichtlichen Nachprüfbarkeit des Entscheidungsspielraums und zu den Ermessensgrenzen
1. Grundlagen
Die Dauervollstreckung nach § 2209 BGB "trägt ihren Zweck in sich selbst: sie ist um ihrer selbst willen vom Erblasser angeordnet", so schon Karl Holtz (vgl. Teil 2 Abschnitt II., ZErb 2020, 197). Indes regelt das Gesetz die Nachlassverwaltung nur in zwei Paragraphen, §§ 2205 und 2216 BGB, und begnügt sich mit einem unbestimmten Rechtsbegriff und äußerster Knappheit. Entscheidend für das Gesetzesverständnis ist auch hier, dass der Erblasser über seine Testierfreiheit in der Lage ist bzw. wäre, den Selbstzweck der Dauervollstreckung nach § 2209 BGB zu steuern und zum Vorteil des Erben, dessen "Wohl und Interesse" (Urt. v. 2.10.1957 – IV ZR 217/57, BGHZ 25, 275, 279/280) über Anordnungen nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB klar und einklagbar zu erweitern bis hin zur Grenze der Nachlassgefährdung, § 2216 Abs. 2 S. 2 BGB. Nur diese Hürde stellt das Gesetz dem Erblasser explizit in den Weg, § 2220 BGB. Wichtigstes Beispiel hierfür ist das Behindertentestament in seiner klassischen Form mit seinen Anordnungen nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB zur Erlösauskehr und -verwendung für den behinderten Vorerben. Dabei ist der BGH sogar so weit gegangen, die Pflichten des Vorerben-Testamentsvollstreckers auf Erlösauskehr über seine Pflicht auf Substanzerhalt für den Nacherben zu stellen via erleichterte (Vermächtnis-)Auslegung, selbst wenn er nicht gleichzeitig Testamentsvollstrecker des Nacherben ist.
System sowie Sinn und Zweck des Gesetzes verlangen daher, mit Ausnahmen, die den Ermessens- und Entscheidungsspielraum bei der Dauervollstreckung beschränken, restriktiv und zurückhaltend zu sein: da der Erblasser keine Anordnungen nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB getroffen hat, kann man den Erblasserwillen nicht ohne Weiteres über Vorgaben für den Testamentsvollstrecker im Rahmen von § 2216 Abs. 1 BGB schon dem Grunde nach durch besondere Belange des Erben – in Fallgruppen gekleidet – aushöhlen. Dass der BGH in seinem Beschl. v. 24.7.2019 die Sittenwidrigkeit eines Behindertentestaments ohne Anordnungen nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB (zu Recht) für nicht sittenwidrig hielt, steht dem nicht entgegen; dies ist eine andere Rechtsfrage.
2. Die Rechtsprechung zum Ermessen des Testamentsvollstreckers
Dieses rechtliche Grundverständnis erklärt auch die Rechtsprechung zum gerichtlichen Prüfungsmaßstab für die Entscheidungshoheit des Testamentsvollstreckers gemäß § 2216 Abs. 1 BGB. Das objektive Nachlassinteresse, das der Testamentsvollstrecker zu verwirklichen hat, entspricht in der Sache der ständigen Rechtsprechung zum weiten wirtschaftlichen Ermessens- und Entscheidungsspielraum des Testamentsvollstreckers und der damit verbundenen Absage an den sichersten Weg. Die Rechtsprechung lässt daher nur sehr eingeschränkt die Überprüfungsbefugnis dieses Ermessens zu. Der strukturell-systematische und letztlich entscheidende Grund für diese Beschränkung liegt in der fehlenden ex-ante-Kontrolle des laufenden Verwaltungshandelns, auch wenn der Erbe die Möglichkeit hat, Entscheidungen des Testamentsvollstreckers nach § 2216 Abs. 1 BGB gerichtlich klären zu lassen. Beurteilungsmaßstab ist dabei der Nachlass bzw. die Folgen der konkret streitigen Verwaltungsmaßnahme für den Nachlass insgesamt, nicht die konkret streitige Verwaltungsmaßnahme selbst. In der Rechtsprechung hat sich noch kein feststehender Rechtsbegriff für das dem Gericht noch zustehende Prüfungsrecht durchgesetzt. Beispiele:
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"Von einer ordnungsgemäßen Verwaltung kann (erst dann; Anm. des Verf.) nicht mehr gesprochen werden, wenn der Testamentsvollstrecker Risikogeschäfte abschließt, die nach ihrer Größenordnung im Fall des Misslingens den Bestand des Nachlasses insgesamt i... |