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Was passiert mit dem Girokonto, wenn ein Kontoinhaber stirbt? In Italien ist es nun möglich, eine präzise und eindeutige Antwort zu geben: Das Girokonto wird nicht automatisch gesperrt und die Bank kann weiterhin Gutschriften und Belastungen erfassen. Erbschaftsfragen im Zusammenhang mit Bankbeziehungen sind immer schwierig und eine Quelle erbitterter Streitigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft und zwischen Banken und Erben. Mit Beschluss Nr. 24360 des Koordinationsausschusses des Schiedsrichters im Bank- und Finanzbereich vom 6.11.2019 wurde nun Klarheit geschaffen.
I. Koordinationsausschuss des Schiedsrichters im Bank- und Finanzbereich
Zunächst ist zu erklären, wer der Koordinationsausschuss des Schiedsrichters im Bank- und Finanzbereich ist. Dieser entscheidet über Fälle, die Fragen von besonderer Bedeutung betreffen oder die unterschiedlichen Rechtsauffassungen unter den sieben territorialen Kollegien hervorgerufen haben oder hervorrufen können. Die sieben Kollegien des Schiedsrichters im Bank- und Finanzbereich (Arbitro Bancario e Finanziario (im Folgenden kurz auch ABF genannt) die durch das Bankengesetz "Testo Unico Bancario- Decreto legislativo 1Grad September 1993, n. 385" in das italienische System eingeführt wurden und die Aufgabe haben, außergerichtliche Streitigkeiten zu behandeln und als alternatives Streitbeilegungsinstrument zu dienen – befinden sich in Bari, Bologna, Mailand, Neapel, Palermo, Rom und Turin.
Der Koordinationsausschuss des Schiedsrichters im Bank- und Finanzbereich legt das Rechtsprinzip fest, dass die territorialen Kollegien befolgen müssen, um über künftige Beschwerden in vergleichbaren Angelegenheiten zu entscheiden. Wenn die territorialen Kollegien erwägen von dem festgelegten Rechtsprinzip abzuweichen, müssen sie die Gründe hierfür ausdrücklich angeben.
Rechtssuchende können erst dann eine Beschwerde beim Schiedsrichter (ABF) einreichen, nachdem sie erfolglos versucht haben, den Streitfall durch eine schriftliche Beschwerde an die Bank zu lösen. Wird die Entscheidung des Schiedsrichters als unbefriedigend erachtet, ist keine der streitbeteiligten Parteien daran gebunden; sie können ins Klageverfahren übergehen.
Die Entscheidungen des Schiedsrichters im Bank- und Finanzbereich (ABF) haben mithin keine vergleichbare Bindungswirkung wie die eines Richters, indes ihre eigene Bedeutung. Wenn die Bank die Entscheidung nicht beachtet, wird eine Nachricht darüber veröffentlicht. Umso wichtiger sind die Entscheidungen des Koordinationsausschusses.
II. Der konkrete Anwendungsfall
Dem o.g. Beschluss liegt folgender Fall zugrunde: Eine Bank hatte nach dem Tod eines Kontoinhabers das Konto mit der Restschuld eines Kredits belastet, den sie ihm gewährt hatte. Die Erben lehnten diese Belastung ab und verlangten von der Bank die Auszahlung des Kontostandes vom Todestag mit der Begründung, dass die Bank nicht befugt sei, Kontobewegungen nach dem Tod ihres Verwandten vorzunehmen. Die Bank behauptete, sie habe im Interesse des Kontoinhabers und seiner Erben gehandelt, indem sie einzelne Kontobewegungen vornahm, da dadurch die Rückzahlung eines Teils der Finanzierung erfolgt sei. Darüber hinaus wurde dadurch verhindert, dass infolge ausbleibender Zahlung negative Einträge in den öffentlichen Informationssystemen (wie der Kreditzentrale und Crif) veröffentlicht wurden.
Neben den praktischen Aspekten war die rechtliche Frage, ob der Erbfall zur Löschung des Bankkontos oder zur Nachfolge der Erben in das Vertragsverhältnis führen würde. Im ersten Fall könnte die Bank keine Transaktionen mehr durchführen, geschweige denn Belastungen vornehmen.