Zum wiederholten Male innerhalb von relativ kurzer Zeit hatte sich der Erbrechtssenat mit dem Pflichtteilsergänzungsrecht zu beschäftigen. Ebenfalls für den Praktiker bedeutsam waren die Urteile vom 26.6.2016 zum Fristlauf bei einem Wohnungsrecht (ZErb 2016, 266), vom 14.3.2018 zu den Darlehenszinsen bei einem Immobilienerwerb durch Ehegatten (ZErb 2018, 118) und vom 13.11.2019 zur Verjährung bei postmortaler Vaterschaftsfeststellung (ZErb 2020, 52). In seinem aktuellen Urteil begründet der BGH sorgfältig, dass bei einem allseitigen Abfindungsausschluss von Gesellschaftern im Einzelfall doch eine Schenkung mit der Folge von Pflichtteilsergänzungsansprüchen vorliegen kann.
Kurz zum Sachverhalt: Der enterbte Sohn macht Pflichtteilsansprüche gegenüber seiner alleinerbenden Stiefmutter geltend – keine gänzlich unbekannte Konstellation für den Erbrechtspraktiker. Der Erblasser und seine alleinerbende Ehefrau wohnten in einer Eigentumswohnung (Kaufpreis über 3,2 Mio. EUR), die im Eigentum einer GbR stand. Alleinige Gesellschafter dieser Personengesellschaft waren wiederum nur die beiden Ehegatten. Der gemeinsame Sohn wohnte mit niedriger Miete in einer Eigentumswohnung nach gleicher Gestaltung. Gesellschaftsrechtlich war mit dem Tod eines Gesellschafters die Auflösung und die Anwachsung bei dem längerlebenden Gesellschafter unter Abfindungsausschluss vereinbart.
In solchen Konstellationen wird der Gesellschaftsanteil des Erblassers nicht nachlasszugehörig, so dass ordentliche Pflichtteilsansprüche nach § 2303 BGB ausscheiden. Da sich der gesellschaftsrechtliche Abfindungsausschluss in der Sekunde des Todes mit der Folge verwirklicht, dass sich das Vermögen des Erblassers reduziert und gleichzeitig das Vermögen des längerlebenden Gesellschafters erhöht, drängt sich die Frage auf, ob eine Schenkung nach § 516 BGB mit der Folge von Pflichtteilsergänzungsansprüchen nach § 2325 BGB vorliegt.
Der Erbrechtssenat begründet überzeugend am Ende seiner Entscheidung, dass zwar hinsichtlich des Abfindungsausschlusses zunächst eine privatschriftliche Schenkung vorlag. Den nach § 518 Abs. 2 BGB heilenden Vollzug hat der BGH schon in dem Abschluss der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung festgestellt, also eben nicht erst zum Erbfall, wie es bei den eingeräumten widerruflichen Bezugsberechtigungen von Lebensversicherungsansprüchen ist (BGH, NJW 1984, 2156; OLG Koblenz, VersR 1999, 830; vgl. Horn, ZErb 2010, 201, 41). So habe der Erblasser zu seinen Lebzeiten alles getan, was für die Schenkung erforderlich war. Das gelte auch bei einem befristeten oder bedingten Erwerb. Für den Vollzug einer Schenkung genüge die Begründung eines Erwerbs- oder Anwartschaftsrechts.
Die h.M. lehnt bei Gesellschaftsbeteiligungen mit allseitigem Abfindungsausschluss grundsätzlich eine Schenkung ab. So soll gewährleistet werden, dass die Fortführung durch die längerlebenden Gesellschafter nicht durch Abfindungsansprüche erschwert wird, zumal es sich bei einem allseitigen Abfindungsausschluss um ein vom Zufall abhängiges Geschäft handelt. Wenn nicht gerade ein bedeutender Altersunterschied unter den Gesellschaftern besteht oder ein Gesellschafter schwer erkrankt ist, gleichen sich Chancen und Risiken aus, so dass kein unentgeltliches Geschäft vorliegt (Damrau/Tanck/Riedel, 4. Aufl. 2020, § 2325 BGB Rn 47 f.).
Diesen Grundsatz hat die Literatur etwa bei rein vermögensverwaltenden Gesellschaften und bei einem Gesellschafterkreis, der ausschließlich aus nahestehenden Personen besteht, kritisch gesehen (Nachweise bei Burandt/Rojahn/Horn, 3. Aufl. 2019, § 2325 BGB Rn 69). In diese Richtung ging bereits das Urt. v. OLG Schleswig vom 27.3.2012 (ZErb 2012, 168). In solchen Konstellationen könnte eine (ggf. gemischte) Schenkung vorliegen, wobei auf das bei einer "vermögensverwaltenden (Familien-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf das "stets äußerst geringe" Haftungsrisiko hingewiesen wird. Solche besonderen Konstellationen, in denen es sich eben nicht um eine "richtige" Gesellschaft handelt, sondern um schlichte private Immobilienverwaltung, bewertet der BGH zurecht als Ausnahme zu dem oben skizzierten Grundsatz."
Interessanterweise (und überzeugend) hat der Erbrechtssenat sein Ergebnis auch damit begründet, dass grundsätzliches Ziel des Erblassers war, die erbrechtlichen Ansprüche seines einseitigen Sohnes auszuschließen. So hat er diesen enterbt. Der Erblasser habe Vermögen unter Ausschluss dieses Sohnes seiner Ehefrau zuwenden wollen.
Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis? Der BGH hat den unter Verfassungsschutz stehenden Pflichtteilsanspruch eines Abkömmlings gestärkt (BVerfG, ZEV 2005, 301). Eine Immobilie statt in Bruchteilsgemeinschaft in einer Personengesellschaft zu halten und Abfindungsansprüche für den Tod eines Gesellschafters auszuschließen, lässt eine Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen eines nicht mehr ganz so liebsamen Abkömmlings nicht reduzieren (vorbehaltlich § 2327 BGB). Sicherste Gestaltung zur Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen ist...