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In der Nacht vom 24. auf den 25.6.2021 hat der Deutsche Bundestag die umfassendste Reform des Stiftungsrechts seit Einführung des BGB beschlossen, die zuvor in Stiftungspraxis und Stiftungswissenschaft zum Teil sehr kontrovers diskutiert wurde. An die Stelle der bisherigen 9 Paragrafen der §§ 80 bis 88 BGB treten zum 1.7.2021 insgesamt 36 weitgehend neugefasste Regelungen in Kraft. Die große Zahl der Änderungen erklärt sich vor allem mit dem Ziel der Reform, das Stiftungsrecht weiter zu vereinheitlichen und das immer wieder zu Friktionen führende Nebeneinander von Bundes- und Landesstiftungsrecht zumindest in bestimmten stiftungsrechtlichen Regelungsbereichen durch Integrierung und einheitliche Regelung im BGB aufzuheben. Das betrifft bspw. die Themen Vermögensverwaltung, Satzungsänderung und die Zu- und Zusammenlegung von Stiftungen. Hinzukommen aber auch ganz neue Regelungsgegenstände, bspw. die erstmalige Einführung eines bundesweiten Stiftungsregisters zum Stichtag 1.1.2026, das, anders als die von den Ländern bisher geführten Stiftungsverzeichnisse, Publizitätswirkung entfaltet.
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Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über einige wesentliche der in Kraft tretenden Neuregelungen und ordnet ihre voraussichtlichen Auswirkungen auf die Stiftungspraxis in der notwendigen Kürze ein.
I. Der "Stiftungsbegriff"
§ 80 Abs. 1 S. 1 BGB n.F. sieht eine Art Definition der Stiftung vor. Danach ist eine Stiftung "eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete, mitgliederlose juristische Person."
Ähnliche Definitionen des "Stiftungsbegriffs fand man bereits bisher in der stiftungsrechtlichen Fachliteratur. Eine gesetzliche Definition der Stiftung, wie sie nun eingeführt wird, wurde bisher aber nicht vermisst. Die Aufnahme in das Gesetz erscheint auf den ersten Blick auch unschädlich, allerdings fördert die Lektüre der Gesetzesbegründung dann doch Überraschendes zu Tage. Dort heißt es zunächst, aus "dieser für die Stiftung typischen Verknüpfung von Zweck und Vermögen" folge, "dass als Stiftungszweck nur ein solcher Zweck in Betracht kommt, der sich durch Nutzung eines Vermögens erfüllen lässt. Der Zweck einer Stiftung kann sich nicht in der Erhaltung des eigenen Vermögens erschöpfen.""
Das ist jedenfalls in dieser Allgemeinheit ungenau. Denken wir bspw. an eine Stiftung, die dem Erhalt von Kunstwerken oder der Erhaltung eines historischen Gebäudes dient. Stehen diese Kunstwerke oder das historische Gebäude im Eigentum der Stiftung, so dürfte sich der Stiftungszweck nicht in der Erhaltung eben dieses Vermögens erschöpfen. Das ist aber ein klassischer Fall für eine Stiftung.
Die Gesetzesbegründung geht aber noch weiter: "Auch wenn für die Erfüllung eines Zwecks die Nutzung eines Vermögens nicht erforderlich ist, wie etwa für die Übernahme der Komplementärstellung in einer Personenhandelsgesellschaft (“Stiftung und Co. KG‘), kann dieser Zweck nicht in der Rechtsform der Stiftung verfolgt werden." Das wird die Organe so mancher Stiftungen in der Praxis erst einmal wundern und dann ggf. mit Sorge erfüllen. Man denke etwa an die Lidl Stiftung & Co. KG. Tatsächlich hört man bereits von manchen Stiftungsaufsichten, dass mit der Umsetzung der Stiftungsrechtsreform auch das Ende der Stiftung & Co. KG gekommen sei. Auch auf Basis des noch aktuellen Stiftungsrechts wurde bereits seit Jahren argumentiert, dieses lasse sog. "Funktionsstiftungen" nicht zu. Z.B. sei für die Funktion der Unternehmensleitung kein Vermögen notwendig, "sondern Stimmrechtsmacht, die [einer Stiftung] ohne Kapitalanteil eingeräumt werden kann." An anderer Stelle heißt es: "Die Wahrnehmung von Gesellschafterrechten als Komplementärin in einer KG … kann auch ohne Vermögenseinsatz erfolgen."
Die Verfasser*innen der Gesetzesbegründung haben sich offensichtlich von diesen Ausführungen inspirieren lassen. Will man aber tatsächlich diese doch sehr formale Argumentation führen, so sollte man auch genauer hinsehen. Der Anteil des Komple...