Für den Inhalt und Umfang von notariellen Nachlassverzeichnissen gem. §§ 2314 Abs. 1 S. 3, 260 Abs. 1 BGB trägt der beauftragte Notar die Verantwortung.
Das BVerfG hat insofern zutreffen im Jahr 2016 die besonderen Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis zusammengefasst aufgezeigt:
Zitat
"Das notarielle Nachlassverzeichnis gemäß § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB soll eine größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft bieten als ein privates Verzeichnis, welches der auskunftsverpflichtete Erbe erstellt hat. Dazu ist es erforderlich, dass es von der Amtsperson selbst erstellt wird und diese nicht lediglich die Erläuterungen des Erben protokolliert und beurkundet. Der Notar ist dabei regelmäßig auch zur selbstständigen Ermittlung der aufzunehmenden Gegenstände und Forderungen berechtigt und verpflichtet, er muss zudem durch eine Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, für den Inhalt verantwortlich zu sein […]. Ein Verzeichnis, das sich inhaltlich lediglich auf die dem Notar seitens des Erben vorgelegte Auflistung beschränkt und nicht eine eigenständige Feststellung des Notars dazu enthält, dass weitere Nachlassgegenstände nicht vorhanden und weitere Verbindlichkeiten nicht festzustellen seien, erfüllt daher die Anforderungen nicht […]."
Der I. Senat des BGH hat dies im Jahr 2018 präzisiert:
Zitat
"[…] Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er muss zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen. Allerdings darf er sich hierauf nicht beschränken, namentlich nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen, selbst wenn er den Erben über seine Pflicht belehrt hat, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen. Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde […]."
Es wird deshalb richtig aufgezeigt, dass der Notar die Position eines objektiv-verständigen Pflichtteilsberechtigten einnehmen muss und unter diesem Blickwinkel das Verfahren zu gestalten und seine Ermittlungen durchzuführen hat. Folglich steht dem Notar hinsichtlich des Umfangs seiner Ermittlungen kein freies Ermessen zu, sodass dessen Tätigkeit gerichtlich voll überprüfbar ist.
Hieraus folgt insbesondere, dass ein Notar im konkreten Einzelfall – was oft der Regel entsprechen wird – die Kontoauszüge und sonstigen Bankunterlage eines Erblassers zumindest bzgl. des Zehn-Jahres-Zeitraums i.S.d. § 2325 BGB – und bei entsprechendem Verlangen auch ohne zeitliche Grenze – auf etwaige relevante Vermögensverfügungen wie z.B. Schenkungen durchzusehen hat.
Nicht verkannt werden darf aber, dass immer noch der Erbe die Auskunft schuldet, sodass dieser selbstverständlich verpflichtet ist, bei der Erstellung des Verzeichnisses mitzuwirken und folglich dem beauftragten Notar wahrheitsgemäße und vollständige Angaben über den Nachlass – insb. auf Nachfrage des Notars – zu machen hat. Ob es erforderlich ist, dass der Erbe dem Notar die Auskunft persönlich erteilt oder im für die förmliche Aufnahme bestimmten Termin anwesend ist, hängt vom Einzelfall ab.
In formeller Hinsicht haben die obigen Anforderungen ihren sprachlichen Niederschlag in der notariellen Urkunde dergestalt zu finden, dass das Ergebnis der eigenen Ermittlungen sowie allgemein die Verfahrensgestaltung des Notars für den Auskunftsgläubiger und die Gerichte überprüf- und nachvollziehbar sind. Im Übrigen müssen Inhalt und Umfang der Urkunde eigene Erklärungen des Notars sein; eine bloße Wiedergabe der Auskünfte des Erben genügt nicht.