Für die Praxis sind die obigen Anforderungen alles andere als trivial, da erst bei ihrer Einhaltung eine Erfüllung des Auskunftsanspruchs und mithin dessen Erlöschen gegeben ist. Der in Rechtsprechung und Literatur zu lesende Satz, dass Nachlassverzeichnisse grundsätzlich nicht zu berichtigen oder zu ergänzen seien und stattdessen die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu verlangen wäre, führt bei Unkenntnis über die oben dargestellten formellen Anforderungen an Inhalt und Umfang eines Nachlassverzeichnisses in die Irre. Das gilt gleichermaßen für das privatschriftliche Nachlassverzeichnis wie das notarielle Nachlassverzeichnis.
1. Erfüllungsvoraussetzung
Die Erfüllung eines Auskunftsanspruchs gem. § 260 Abs. 1 BGB ist laut BGH nicht gegeben, wenn sie nicht ernst gemeint, unvollständig oder von vornherein unglaubhaft ist. Dies bestimmt sich nach den gegebenen objektiven Umständen und unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung. Irrelevant ist hingegen, ob der Gläubiger die erteilte Auskunft für nicht ernst gemeint, unvollständig und/oder unwahr hält.
Soweit ersichtlich, scheitert die Erfüllung des Auskunftsanspruchs gem. § 2314 Abs. 1 BGB in der Praxis vor allem (scil. eigentlich nur) an der Unvollständigkeit – also der Lückenhaftigkeit – der erteilten Auskunft. Erfüllung tritt insofern laut BVerfG dann ein, wenn der Schuldner seiner Auskunftspflicht hinreichend nachkommt, indem die Auskunft formell vollständig und hinreichend substantiiert ist. Bei formeller Lückenhaftigkeit des Inhalts und Umfangs der Auskunft gem. §§ 2314 Abs. 1, 260 Abs. 1 BGB ist der Anspruch folglich nicht erfüllt.
Eine derartige formelle Lückenhaftigkeit ist unter Beachtung der oben dargestellten Anforderungen insbesondere gegeben bei Unübersichtlichkeit der Auskunft (z.B. wegen mehrerer eingereichter Schriftsätze und außergerichtlicher Schreiben), bei (rechts-)irrtümlicher Unvollständigkeit (z.B. Besitz sei nicht Teil der Auskunft), beim gänzlichen Fehlen von sachlichen und zeitlichen Auskunftsteilen (z.B. keine Stellungnahme zu Schenkungen bzw. allgemein zu pflichtteilsergänzungsrelevanten Vorgängen), bei Unvollständigkeit der gemachten Angaben (z.B. fehlende wertbildende Faktoren und/oder fehlende Zustandsbeschreibungen), beim Nichtverschaffen von fremdem Wissen trotz Zumutbarkeit (z.B. über (insb. ausländische) Bankbeziehungen) sowie bei Angaben, die auf falschen Grundlagen beruhen (z.B. gefälschte Unterlagen) oder den Stichtag gem. § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. i.S.d. § 2325 BGB nicht berücksichtigen (z.B. wenn nicht eindeutig zu erkennen ist, ob auf den Todestag abgestellt wird). Notare müssen zudem insbesondere darauf achten, dass sie ihre eigenen Ermittlungstätigkeiten im Verzeichnis dokumentieren und sich vor allem nicht bloß auf die ungeprüfte Wiedergabe von Mitteilungen des Erben beschränken.