Leitsatz
1. Die Denkmaleigenschaft des Kaufobjekts kann einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB begründen.
2. a) Verkauft der Testamentsvollstrecker ein Nachlassgrundstück, kann ihm die Kenntnis der Erben über Mängel der Kaufsache oder andere offenbarungspflichtige Umstände nicht nach den für juristische Personen und öffentliche Körperschaften geltenden Grundsätzen über die "Organisation eines innerbetrieblichen Informationsaustausches" zugerechnet werden.
2. b) Eine solche Zurechnung findet auch im Verhältnis eines Grundstücksverkäufers zu einer von ihm (nur) mit der Verwaltung des Grundstücks beauftragten, rechtlich und organisatorisch selbstständigen Hausverwaltung nicht statt (Bestätigung von Senat, Urt. v. 22.11.1996 – V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270).
BGH, Urt. v. 19.3.2021 – V ZR 158/19
1 Tatbestand
I.
Mit notariellem Vertrag vom 21.12.2009 verkaufte der Beklagte als Testamentsvollstrecker über den Nachlass seines 1999 verstorbenen Vaters ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück in Hamburg an eine Kommanditgesellschaft unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel zu einem Kaufpreis von 5 Mio. EUR. Der Kläger ist der einzig verbliebene Gesellschafter der Käuferin. Mitglieder der Erbengemeinschaft nach dem Vater des Beklagten sind neben ihm sein Bruder und seine Schwester. Der Kaufvertrag wurde 2011 vollzogen. In ihm heißt es unter der Überschrift "Rechte wegen Rechtsmängeln":
"[Der Verkäufer] weist den Käufer daraufhin, dass das Objekt seiner Kenntnis nach nicht auf der Denkmalschutzliste verzeichnet ist, es jedoch aus Sicht des Denkmalpflegers erhaltenswerte Bauelemente gibt."
Das Haus, in dem sich vier Wohneinheiten befinden, war bereits 2006 als Teil eines Ensembles in das Verzeichnis der erkannten Denkmäler gemäß § 7a Abs. 2 S. 2 Hamburger Denkmalschutzgesetz in der damals geltenden Fassung (nachfolgend: DSchG Hmb aF) aufgenommen worden. Das Informationsschreiben des Denkmalschutzamts war der Schwester des Beklagten laut Postzustellungsurkunde am 17.5.2006 zugestellt und für den Beklagten und seinen Bruder im Juli 2006 an die Grundstücksverwaltung gesandt worden. Der Beklagte, der damals im Ausland lebte, macht geltend, dass er den Inhalt des Schreibens nicht gekannt, sondern nur gewusst habe, dass das Haus unter der Beobachtung des Denkmalschutzamts gestanden habe. 2009 erwog der Bruder des Beklagten, das Gebäude umzubauen. Hierzu fand im Juli 2009 ein Besprechungstermin statt, an dem auch der Beklagte teilnahm. Das Denkmalschutzamt teilte dem Architekten des Bruders des Beklagten anschließend mit, es bleibe bei der Einschätzung, dass es sich um ein Denkmal handele, dessen Unterschutzstellung angestrebt werde.
Der Kläger beabsichtigte, das Gebäude zu sanieren und der ursprünglichen Nutzung als Einfamilienhaus zuzuführen. Im Februar 2012 erhielt er im vereinfachten Genehmigungsverfahren eine Baugenehmigung. Anfang 2013 wurde das Haus in die Denkmalliste eingetragen. Daraufhin erließ das Denkmalschutzamt einen Baustopp. Für eine geänderte Planung erhielt der Kläger eine Baugenehmigung unter Auflagen.
Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten Zahlung von rund 2,8 Mio. EUR (Ersatz des Minderwerts und der vergeblichen Aufwendungen) sowie die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz weiterer Schäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger aufgrund mangelnder Aufklärung über die Denkmaleigenschaft des Hauses dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchte der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
2 Gründe
II.
Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB und aus § 280 Abs. 1 i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB, da dieser einen Sachmangel arglistig verschwiegen habe. Das Grundstück sei aufgrund der Eintragung in das Verzeichnis der erkannten Denkmäler gemäß § 7a Abs. 2 S. 2 DSchG Hmb aF mit einem Sachmangel behaftet gewesen. Das Objekt habe bei Vertragsschluss zwar noch nicht unter Denkmalschutz gestanden. Hierfür sei nach dem im maßgeblichen Zeitpunkt in Hamburg geltenden konstitutiven System die Aufnahme in die Denkmalliste erforderlich gewesen. Die mit der Eintragung in das Verzeichnis der erkannten Denkmäler einhergehende bußgeldbewährte Anzeigepflicht stelle aber eine öffentlich-rechtliche Beschränkung dar, die mit einem bestehenden Denkmalschutz vergleichbar sei. Die Eintragung in das Verzeichnis der erkannten Denkmäler hätte deshalb offenbart werden müssen. Der Beklagte könne sich nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen, da er den Mangel arglistig verschwiegen habe (§ 444 BGB). Ob er von der Eintragung des Objekts in das Verzeichnis der erkannten Denkmäler gewusst habe, könne dahinstehen. Er müsse sich als Testamentsvollstrecker die Kenntnis seiner Schwester hiervo...