Leitsatz
Das fortdauernde Fehlen der gemäß § 352a Abs. 2 Satz 2 FamFG erforderlichen Verzichterklärung aller im Erbschein ausgewiesenen Miterben stellt einen schweren Verfahrensfehler dar, der die Einziehung des erteilten Erbscheins nach sich zieht.
OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 10.3.2022 – 21 W 175/21
1 Gründe
I.
Der Erblasser war mit der vorverstorbenen X verheiratet. Aus der Ehe gingen die Beteiligten zu 1) bis 3) als einzige Kinder hervor. Am 16.12.1991 errichteten die Eheleute ein handschriftliches und vom Nachlassgericht eröffnetes Testament. Dieses lautet auszugsweise wie folgt:
Zitat
Beim Tod eines Ehegatten verfügt der Verstorbene folgendes: Sein Anteil Hausrat, Mobiliar und vorhandenes Bargeld und Sparguthaben erbt der Überlebende.
Das Grundstück in Ort1, Straße1, das je zur Hälfte im Grundbuch Flur … , Band … , Blatt … eingetragen ist, erhält der Überlebende für die Verwaltung und Nutznießung mietfrei bis zum Ableben.
Einschränkung: Der Überlebende darf das bezeichnete Grundstück auch seinen eigenen Anteil (die Hälfte) weder verkaufen, noch an eine andere Person als die hier aufgeführten Kinder vererben. Nach dem Ableben beider Ehegatten tritt folgende Verfügung in Kraft … < es folgt die Zuweisung der drei Geschosse der Immobilie an jeweils eines der drei Kinder> …
Einrichtung, plus Sachen, Sparguthaben oder Bargeld der Erblasser sind zu 3 gleichen Teilen untereinander aufzuteilen.
Über das Gartenland … = 383 qm. verfügt der Längerlebende.
Ergänzend wird auf Bl. 6 f. der Testamentsakte Bezug genommen.
Nach dem Tod seiner Ehefrau am 2.11.2005 errichtete der Erblasser am 14.11.2005 ein weiteres, handschriftliches, erst im Laufe des Verfahrens aufgefundenes Testament (Bl. 24 f. d. Testamentsakte), in dem er die Beteiligten zu 1) und 2) als Alleinerben einsetzte und ferner verfügte, dass die Beteiligte zu 3) den ihr per Gesetz zustehenden Pflichtteil abzüglich einer zuvor an sie erfolgten Zahlung erhalte.
Mit Erklärung vom 16. und 17.11.2005 schlugen die Beteiligten zu 1) bis 3) ihre Erbschaft nach der Ehefrau des Erblassers als gesetzliche Erben aus (Bl. 2. d. A.). Sodann beantragte der Erblasser mit notarieller Urkunde vom 25.4.2006 einen Alleinerbschein nach seiner Ehefrau und berief sich hierbei auf das gemeinschaftliche Testament vom 16.12.1991. Nachdem das Nachlassgericht Bedenken wegen einer aus seiner Sicht im gemeinschaftlichen Testament angeordneten Vor- und Nacherbschaft mitgeteilt hatte (Bl. 15 d. A.), erklärten die Beteiligten zu 1) bis 3) sodann mit Urkunde vom 16. sowie 21.6.2006 die Anfechtung der stillschweigenden Annahme als testamentarische Erben und schlugen für sich und ihre jeweiligen Abkömmlinge die Erbschaft nach der Ehefrau des Erblassers nach allen Berufungsgründen aus (Bl. 21 f. und 28 d. A.). In der Folge erteilte das Nachlassgericht dem Erblasser den beantragten Alleinerbschein nach seiner Ehefrau (Bl. 32 d. A.).
Nachdem der längstlebende Ehegatte ebenfalls verstorben war, beantragte der Beteiligte zu 1) zunächst einen gemeinschaftlichen Erbschein, der die Beteiligten zu 1) und 2) als Erben zu 2/5 und die Beteiligte zu 3) als Erbin zu 1/5 ausweisen sollte, änderte den Antrag dann allerdings in einen quotenlosen Erbschein, wobei der Erbscheinsantrag keinen Verzicht der beiden anderen Beteiligten auf die Aufnahme der Erbanteile enthielt. Diesem geänderten Antrag stimmte die Beteiligte zu 2) ausdrücklich zu, eine Mitteilung der Beteiligten zu 3) gegenüber dem Nachlassgericht erfolgte trotz Anhörung nicht. Das Nachlassgericht erteilte den quotenlosen Erbschein wie beantragt am 27.5.2019.
Am 20.10.2020 übergab der Beteiligte zu 1) das handschriftliche Einzeltestament des Erblassers aus dem Jahr 2005, das in der Folge vom Nachlassgericht eröffnet wurde.
Daraufhin hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 11.3.2021 angeregt, den erteilten Erbschein einzuziehen, und beantragt, nunmehr einen Erbschein zu erteilen, der ihn und die Beteiligte zu 2) als Erben zu jeweils ½ ausweist. Zur Begründung hat er geltend gemacht, das vorangegangene Testament entfalte keine Bindungswirkung. Denn die Beteiligten zu 1) bis 3) hätten am 16./17.11.2005 die Erbschaft nach der Mutter als gesetzliche Erben ausgeschlagen und später mit Erklärung vom 16. sowie 21.6.2006 die Anfechtung der stillschweigenden Annahme als testamentarische Erben erklärt sowie für sich und die jeweiligen Abkömmlinge die Erbschaft auch nach testamentarischer Erbfolge ausgeschlagen. Dadurch sei die Bindungswirkung für den längerlebenden Ehegatten entfallen. Dem Antrag ist keiner der anderen Beteiligten ausdrücklich entgegengetreten.
Das Nachlassgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss durch die Rechtspflegerin die Einziehung des erteilten Erbscheins abgelehnt und den Erbscheinsantrag vom 11.3.2021 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Nachlassgericht vornehmlich ausgeführt, der erteilte Erbschein sei weiterhin zutreffend. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1) enthalte das gemeinschaftliche Testament eine Schlusserbeneinsetzung, an die der übe...