Die Erbunwürdigkeitsklage gem. § 2342, 2344 BGB fristet in der erbrechtlichen Praxis ein Nischendasein. Grund dafür ist, dass die Anforderungen an eine Erbunwürdigkeit gem. § 2339 BGB vom Gesetzgeber sehr hoch gesetzt sind. Urteile hierzu sind daher selten. Die Entscheidung des BGH überzeugt. Insbesondere das Argument, dass der Beklagte der bindenden Gestaltungswirkung des Urteils zur Erbunwürdigkeit anderenfalls durch Fernbleiben vom Termin zur mündlichen Verhandlung entgehen könnte, greift durch.
Die Bedeutung der Entscheidung des BGH hat jedoch nicht nur Bedeutung im Bereich der Erbunwürdigkeit, sondern eine viel größere im Bereich der (Erben-)feststellungsklage. Zwar äußert der BGH nicht ausdrücklich, dass das jetzige Urteil zum Versäumnisurteil bei der Erbunwürdigkeitsklage auch auf die Erbenfeststellungsklage übertragen werden könne. Der Urteilsbegründung lässt sich jedoch entnehmen, dass der BGH wohl der bereits von den Obergerichten geäußerten Rechtsauffassung folgen wird, dass eine Bindung für das Erbscheinsverfahren für das Nachlassgericht bei einem Feststellungsurteil auch dann besteht, wenn es sich dabei um ein Versäumnisurteil handelt (OLG Düsseldorf ErbR 2020, 354, 357; OLG Frankfurt ErbR 2019, 589; OLG Frankfurt ZEV 2016, 275, Rn 25).
In diesem Bereich hat die Möglichkeit eines Versäumnisurteils jedoch ganz erhebliche Auswirkungen. Die Erbenfeststellungsklage ist die einzige Möglichkeit mit Bindungswirkung für sämtliche Beteiligte, die Erbfolge feststellen zu lassen. Die Feststellungsklage muss dabei nicht gegen alle erhoben werden, die eine andere Erbfolge behaupten. Der Kläger ist frei, Klage nur gegen eine Person zu erheben. Diese bilden keine notwendige Streitgenossenschaft (vgl. MüKo-BGB/Sticherling, 9. Aufl. 2022, § 2229 BGB Rn 71). Damit sich die Rechtskraft der Erbenfeststellungsklage jedoch auf sämtliche Erbprätendenten erstreckt und damit auch eine Bindung für das Erbscheinsverfahren entsteht, ist Voraussetzung, dass sämtliche Erbprätendenten im Wege der einfachen Streitgenossenschaft verklagt werden (vgl. Zimmermann, ZEV 2010, 457). Der Kläger ist deshalb gut beraten, die Feststellungsklage gegen sämtliche Erbprätendenten zu erheben. Dadurch kann sich dann jedoch eine abweichende Erbfolge durch eine unzureichende und unterschiedliche Rechtsverfolgung zwischen den Erbprätendenten ergeben. Die Parteien sind deshalb gut beraten, zukünftig sich auch gerade im Bereich der Erbenfeststellungsklage frühzeitig anwaltlich vertreten und beraten zu lassen, um ein gegen sich ergehendes Versäumnisurteil zu verhindern.
Ein Anerkenntnisurteil wird mit dem Versäumnisurteil dabei gleichzusetzen sein. Auch wenn vereinzelt vertreten wurde, dass ein Anerkenntnis zu mindestens im Rahmen der Erbunwürdigkeitsklage nicht in Betracht komme (vgl. Unberath, ZEV 2008, 465).
Diese Entscheidung jedoch im Rahmen eines taktischen anwaltlichen Vorgehens für den Mandanten nutzbar zu machen, dürfte schwer sein. Den einzigen möglichen Anwendungsfall, den ich mir vorstellen kann, ist, dass man eine Klageerhebung zu einem Zeitpunkt vornimmt, wenn damit gerechnet wird, dass der Erbprätendent in einen mehrwöchigen/mehrmonatigen Urlaub aufbrechen wird. Dadurch könnte man die Erfolgsaussichten durch den Zeitpunkt der Klageerhebung und die Erlangung eines bestandskräftigen Versäumnisurteils erhöhen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Erbprätendent mit fristsetzenden Zustellungen rechnen musste (BGH NJW 1986, 2958; KG Berlin, Urt. v. 15.9.2003 – Az.8 U 309/02). Dies setzt jedoch zumindest voraus, dass die Klageerhebung bereits außergerichtlich angedroht worden ist. Andere Möglichkeiten, diese Entscheidungen in der anwaltlichen Praxis nutzbar zu machen, werden im Übrigen schwierig, da für die Rechtskraft gegenüber dem Erbprätendent, der das Erbrecht in Abrede steht, erforderlich ist, dass dieser Partei der Erbenfeststellungsklage war.
Der BGH und die obergerichtliche Rechtsprechung zeigen in ihren Urteilen bereits eine Möglichkeit auf, wie ein solch möglicherweise zu Unrecht ergangenes Versäumnisurteil wieder aus der Welt geschafft werden kann. Der Anwendungsfall von § 826 BGB dürfte jedoch nur eine sehr geringe Anzahl von Fällen betreffen. Voraussetzung für einen Herausgabeanspruch für das rechtskräftige Urteil und die Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ist, dass das Urteil materiell rechtswidrig ist, der Kläger sich den Titel erschlichen oder missbraucht hat und ihm bewusst war, dass der Titel unrichtig ist. Die Voraussetzungen von § 826 BGB dürften deshalb im Rahmen der Erbenfeststellungsklage nur in Ausnahmefällen vorliegen, da auch die Erbenfeststellungsklage einen schlüssigen Klagevortrag voraussetzt. Die Voraussetzungen von § 826 BGB dürften deshalb in der Regel nur dann vorliegen, wenn der Kläger bewusst z.B. zu der Testierfähigkeit falsch vorgetragen hat. Dies zeigt jedoch, dass die Auswirkungen von Versäumnisurteilen auf die Erbfolge beträchtlich sein können.
Zukünftig gilt deshalb, Versäumnisurtei...