Leitsatz
Ein die Erbunwürdigkeit aussprechendes Urteil gem. §§ 2342, 2344 BGB hat auch dann Bindungswirkung für ein Erbscheinsverfahren, wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt.
BGH, Beschl. v. 26.4.2023 – IV ZB 11/22
1 Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Nachlassgericht im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens an die durch rechtskräftiges Versäumnisurteil ausgesprochene Erbunwürdigkeitserklärung der Beteiligten zu 2 gebunden ist.
Die Beteiligte zu 1 ist das einzige Kind des am 9.11.2018 verstorbenen Erblassers, die Beteiligte zu 2 seine Ehefrau. Das Nachlassgericht eröffnete ein von der Beteiligten zu 2 handschriftlich verfasstes gemeinschaftliches Testament, das eine wechselseitige Einsetzung der Beteiligten zu 2 und des Erblassers als Alleinerben enthielt. Die Beteiligte zu 1 erhob im Juli 2020 gegen die Beteiligte zu 2 Klage auf Feststellung der Erbunwürdigkeit. Zur Begründung trug sie vor, sie vermute, dass die Beteiligte zu 2 einen vom Erblasser unterzeichneten Blankopapierbogen zur Erstellung des Testaments nach dessen Tod verwendet habe. Das Verfahren endete mit einem rechtskräftig gewordenen Versäumnisurteil des LG Köln v. 28.1.2021, durch das die Beteiligte zu 2 hinsichtlich des Nachlasses des Erblassers für erbunwürdig erklärt wurde. Die Beteiligte zu 2 hatte im Erbscheinsverfahren angeführt, dass sie wegen des plötzlichen Unfalltods des Erblassers auch eineinhalb Jahre danach und weiterhin (Ende September 2021) stark traumatisiert gewesen sei. Wegen eines seelischen Zusammenbruchs, infolgedessen sie sich mit geschäftlichen und gerichtlichen Dingen nicht habe auseinandersetzen können, habe sie diverse Gerichtspost erst am 4.6.2021 geöffnet.
Die Beteiligte zu 1 hat unter Berufung auf das Versäumnisurteil einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Das AG hat die dafür erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Das OLG hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich ihre vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der sie die Aufhebung des Beschlusses des AG und die Zurückweisung des Antrags der Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Erbscheins, hilfsweise die Zurückverweisung des Verfahrens zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht begehrt.
II. Die gem. § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung u.a. in ZEV 2022, 600 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, aufgrund des rechtskräftigen Versäumnisurteils stehe für das Erbscheinsverfahren bindend fest, dass die Beteiligte zu 2 wegen Erbunwürdigkeit von der Erbfolge ausgeschlossen sei. Dies folge bereits daraus, dass es sich bei dem stattgebenden Urteil um ein Gestaltungsurteil handele, welches mit dem Eintritt der Rechtskraft die Unwürdigkeit herbeiführe. Soweit dem Urteil nur deklaratorische Wirkung beigemessen werde, komme die Gestaltungswirkung der klageweise geltend gemachten Anfechtungserklärung zu. Ungeachtet einer Gestaltungswirkung sei das Nachlassgericht in den Grenzen der Rechtskraft an ein rechtskräftiges Urteil über die Feststellung des Erbrechts – bzw. die negative Feststellung in Form der Erbunwürdigkeit – gebunden. Die Bindungswirkung des prozessgerichtlichen Urteils sei formaler Natur und nicht nach der Art des Urteils zu relativieren. Ob eine Durchbrechung der Bindungswirkung nach § 826 BGB in Betracht komme, könne offenbleiben, da hier jedenfalls dessen Voraussetzungen nicht vorlägen.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung stand.
Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die Beteiligte zu 1 nach § 1924 Abs. 1 BGB als einziges Kind des Erblassers seine gesetzliche Alleinerbin geworden ist, da die Beteiligte zu 2 als Erbin aufgrund ihrer durch rechtskräftiges Versäumnisurteil des LG Köln erklärten Erbunwürdigkeit ausscheidet (§§ 2342 Abs. 2, 2344 Abs. 1 BGB). Das Nachlassgericht ist im Erbscheinsverfahren an diese sich aus dem Versäumnisurteil im Rechtsstreit über die Erbunwürdigkeit ergebende Rechtsfolge gebunden.
a) Für die Frage der Bindung ist nicht entscheidend, ob das in diesem Verfahren ergehende Urteil als Gestaltungsurteil (Senatsurt. v. 11.3.2015 – IV ZR 400/14, BGHZ 204, 258, Rn 7; Senatsbeschl. v. 12.9.2012 – IV ZR 177/11, ZEV 2013, 34, Rn 7 m.w.N.; BeckOK-BGB/Müller-Christmann, Stand: 1.11.2022, § 2342 Rn 8; Burandt/Rojahn/Müller-Engels, Erbrecht, 4. Aufl., § 2342 Rn 15; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., S. 160 f.; Bauer, Der Erbunwürdigkeitsprozess, 2007, Rn 254, 262; Unberath, ZEV 2008, 465), das die Rechtslage hinsichtlich der Erbenstellung des Erbunwürdigen selbst verändert und damit bereits wegen dieser ihm innewohnenden rechtsgestaltenden Wirkung zu berücksichtigen ist, oder – wie die Rechtsbeschwerde geltend macht – als Feststellungsurteil, das die Wirkung einer der Klage innewohnenden, materiell-rechtlichen Anfechtungserklärung feststellt (Muscheler, ZEV 2009, 101, 105; im Anschluss hieran Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. ...