a) Allgemeines
Nach § 34 Abs. 1 BeurkG ist die amtliche Verwahrung eines Erbvertrags die Regel. Im Gegensatz zum Testament können die Beteiligten beim Erbvertrag die besondere amtliche Verwahrung ausschließen und die Urkunde in der Verwahrung des Notars belassen, § 34 Abs. 2 BeurkG.
b) Rechtliche Grundlagen
aa) Regelung des § 2300 BGB
Ein Erbvertrag, der ausschließlich Verfügungen von Todes wegen enthält, kann sowohl aus der gerichtlichen als auch aus der notariellen Verwahrung von den Beteiligten zurückgenommen werden; mit Rücknahme gilt er als widerrufen, §§ 2300 Abs. 2 S. 3, 2256 Abs. 1 BGB. Sinn des § 2300 BGB ist es, eine Eröffnung aufgehobener Erbverträge zu vermeiden. Auch musste ein Notar früher die aus der amtlichen Verwahrung zurückgegebenen Erbverträge weiter verwahren. Dies ist bei Erbverträgen, die nur Verfügungen von Todes wegen enthalten, nicht notwendig.
Hinweis
Gegebenenfalls kann bei der Errichtung ein Hinweis auf die Möglichkeit einer getrennten Beurkundung in Betracht kommen. Dabei dürfen aber auch die Kostenfolgen nicht außer Betracht bleiben, siehe § 102 GNotKG.
bb) Voraussetzungen des § 2300 Abs. 2 BGB
(1) Rückgabemodalitäten
Die Rückgabe kann nur an alle Vertragsschließenden gemeinsam erfolgen, § 2300 Abs. 2 S. 2 BGB. Voraussetzung ist dabei auch eine körperliche Aushändigung, d.h. sämtliche Beteiligte müssen sich beim Notar einfinden. Der Vertragsgegner, der selbst in dem Erbvertrag nicht letztwillig verfügt hat, kann bei der Rückgabe nach allgemeinen Regeln vertreten werden. Für den Betreuer ergibt sich dabei die betreuungsgerichtliche Genehmigungsbedürftigkeit aus § 1851 Nr. 8 BGB in seiner seit 1.1.2023 geltenden Fassung.
(2) Geschäfts- und Testierfähigkeit
Der Erblasser darf bei der Rückgabe nicht in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sein. Er muss testierfähig sein, damit die Wirkungen des § 2256 BGB eintreten können.
cc) Notarielles Rücknahmeverfahren
(1) Belehrung
Entsprechend § 2256 Abs. 1 S. 2 BGB soll die zurückgebende Stelle, also auch der Notar, im Fall der notariellen Verwahrung über die Folgen der Rücknahme ("Widerrufsfiktion") belehren. Das Unterlassen der Belehrung wirkt sich zwar nicht auf die Frage der Wirksamkeit des Widderrufs aus, jedoch kann es haftungsrechtliche Folgen nach sich ziehen. Zuständig für die Rückgabe ist der Notar persönlich, § 25 BNotO. Eine Delegation ist schon im Hinblick auf die notwendige Überprüfung der Testierfähigkeit nicht möglich.
(2) Vermerk auf der Originalurkunde
Auf der Originalurkunde sind sowohl die Tatsache der Rückgabe als auch die eingetretene Widerrufsfiktion zu vermerken.
(3) Muster
Rücknahmevermerk
Dieser Erbvertrag gilt durch die am (…) erfolgte Rückgabe aus der notariellen Verwahrung als widerrufen, §§ 2300 Abs. 2, 2256 BGB.
(…), den (…)(Name, Amtsbezeichnung)
(4) "Aktenkundigmachen"
Schließlich ist die Rückgabe und die dabei erfolgte Belehrung durch einen Aktenvermerk aktenkundig zu machen und in das Erbvertragsverzeichnis einzutragen.
(5) Muster: "Aktenkundigmachung"
(…)
Der/Die Erblasser ist/sind darüber belehrt worden, dass der Erbvertrag durch die Rückgabe als widerrufen gilt. Ein entsprechender Vermerk ist auf dem Erbvertrag gemacht worden.
(…)
(6) Kosten
Bei Herausgabe eines Erbvertrags aus der notariellen Verwahrung fällt eine 0,3 Verfahrensgebühr gem. NR. 23100 KV GNotKG aus dem Gebührenwert nach § 114 GNotKG an. Wenn derselbe Notar allerdings demnächst nach der Rückgabe eines Erbvertrags eine erneute Verfügung von Todes wegen desselben Erblassers beurkundet, wird diese Gebühr auf die Gebühr für das Beurkundungsverfahren angerechnet.
c) Rechtsfolgen der Rückgabe
Die ordnungsgemäße Rückgabe des Erbvertrags unter Beachtung des § 2300 Abs. 2 S. 1 und S. 2 BGB führt nach Anwendung des § 2256 BGB sowohl zur Aufhebung erbvertraglicher als auch zum Widerruf sämtlicher im Erbvertrag enthaltenen Verfügungen von Todes wegen.