Leitsatz
1. Voraussetzung für das Bestehen von Auskunfts- und Wertermittlungsansprüchen ist nicht das Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs, sondern nur eines Pflichtteilsrechts; eine Auskunfts- und Wertermittlungspflicht ist jedoch dann zu verneinen, wenn der Pflichtteilsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht.
2. Der Auskunftsanspruch eines Pflichtteilsberechtigten bezieht sich inhaltlich auch auf die Tatsachen und Umstände, die Zuwendungen als Ausstattung bzw. Schenkung qualifizieren.
3. Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die eine Ausgleichungspflicht nach § 2050 Abs. 1 BGB wegen Vorliegens einer Ausstattung begründen, trifft denjenigen, der daraus Rechte herleitet, also die Anrechnung einer Zuwendung auf den Erbteil verlangt oder einen Ausgleich im Rahmen der Pflichtteilsberechnung geltend macht; er kann sich dabei nicht auf einen Anscheinsbeweis oder sonstige Beweiserleichterungen berufen, da die zeitlich unbegrenzte Ausgleichung die Ausnahme und nicht die Regel ist.
4. Gegen den Ausstattungscharakter i.S.d. § 2050 Abs. 1 BGB der lebzeitigen Übertragung eines Mietshauses durch den späteren Erblasser auf eines seiner Kinder kann sprechen, dass er zuvor auch seinem anderen Kind erheblichen Grundbesitz übertragen hat.
5. Ist der Zuwendungsempfänger im Zeitpunkt der Übertragung des Mietshauses bereits 38 Jahre alt, seit zehn Jahren verheiratet, hat er vier Kinder und eine eigene Firma, von deren Einkünften er gut leben kann (jährlicher Gewinn von mehr als 50.000 DM zu Beginn der 90er-Jahre), und verfügt zudem der Ehepartner über eigene, nicht unerhebliche Einkünfte, die ebenfalls geeignet sind, die Sicherstellung des Familienunterhalts zu garantieren, kann ein Ausstattungscharakter nicht angenommen werden, selbst wenn der Erhalt der Immobilie gegebenenfalls geeignet ist, den Zuwendungsempfänger und seine Familie auf ein höheres wirtschaftliches Lebensniveau zu heben.
OLG Koblenz, Urt. v. 24.4.2023 – 12 U 602/22
1 Tatbestand
Die Parteien streiten über erbrechtliche Ansprüche betreffend den Nachlass der am 22.11.2016 verstorbenen … (B) (im Folgenden Erblasserin). Der Beklagte ist der Sohn der Erblasserin, die Klägerinnen sind deren Enkelinnen und Abkömmlinge der vorverstorbenen … (C), Tochter der Erblasserin und Schwester der Beklagten. Gemäß dem notariellen Testament der Erblasserin vom 24.5.1994 ist der Beklagte Alleinerbe seiner Mutter geworden. Mit der Behauptung, das dem Beklagten mit notariellen Vertrag vom 4.11.1993 schenkweise übertragene Hausgrundstück … (A) in … (Z) sei ihm als Ausstattung i.S.d. § 1624 Abs. 1 BGB zugewendet worden, machen die Klägerinnen vorliegend im Wege der Stufenklage nach ihrer Auffassung bestehende Pflichtteils(-ausgleichs-)ansprüche geltend und verlangen auf der ersten Stufe in dem im Urteilstenor näher beschriebenen Umfang Auskunft über die "wertbildenden Faktoren" betreffend das von der Erblasserin zu Lebzeiten an den Beklagten verschenkte Hausgrundstück … (A).
Die Klägerinnen haben zunächst mit ihrem Klageantrag zu 1. in Form einer "Zwischenfeststellungsklage" um den Feststellungsanspruch angetragen, dass bei der Berechnung der Ausgleichspflichtteile (im Hinblick auf die von ihrer Mutter … (C) erhaltenen Vorempfänge) auch die vorgenannte, im Klageantrag näher beschriebene Immobilie zu berücksichtigen sei.
Diesem Klagebegehren (Antrag zu 1.) ist das LG gefolgt und hat durch am 1.3.2021 verkündetes Teilurteil, Az.: 11 O 204/20, antragsgemäß die Feststellung ausgesprochen,
Zitat
"dass bei der Berechnung der Ausgleichspflichtteile der Klägerinnen gegenüber dem Beklagten die dem Beklagten mit notarieller Urkunde Notar … (D) vom 4.11.1993, Urkundennummer … geschenkten Grundstücke Grundbuch von … (Z), Blatt … sowie Grundbuch von … (Z), Blatt … , … (A), zu berücksichtigen sind."
Nach Einlegung der Berufung gegen dieses Teilurteil durch den Beklagten haben die Klägerinnen die Klage nach entsprechendem Hinweis des Berufungsgerichts hinsichtlich des Erstantrags zurückgenommen und den Rechtsstreit mit den (im Wege der Stufenklage) angekündigten weiteren Anträgen bei dem LG Trier fortgesetzt.
Sie haben erstinstanzlich auf der ersten Stufe beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
ihnen Auskunft zu erteilen über die wertbildenden Faktoren der Grundstücke Grundbuch von … (Z), Bl. … sowie Grundbuch von … (Z), Bl. … , … (A), … (Z), im Zeitpunkt des Vollzugs der Zuwendungen, insbesondere über das Baujahr der aufstehenden Gebäude, die Miet- und Nutzflächen des Gebäudes, getrennt nach den Miet- und Nutzflächen der einzelnen Geschosse und der erzielten Mieterträge.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Sachverhaltsdarstellung im Übrigen wird auf die Feststellung im Tatbestand des angefochtenen Teilurteils des LG Trier vom 31.3.2022 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
Durch dieses Teilurteil hat das LG dem auf der ersten Klagestufe geltend gemachten Auskunftsbegehren im Wesentlichen mit der Begründung s...