Auch für einen etwaig zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommenen "Ausstieg" aus der Gemeinnützigkeit kann mangels gesetzlicher Korrekturvorschrift regelmäßig nicht anderes gelten. Das BGB kennt im Wesentlichen drei Gründe, vom starren Stichtagsprinzip abzuweichen.
Dazu im Einzelnen:
Eine Ausnahme vom Stichtagsprinzip kann aus § 2313 BGB folgen.
Danach bleiben bei der Wertermittlung des Nachlasses aufschiebend bedingte, ungewisse oder unsichere Rechte und Verbindlichkeiten vorläufig außer Ansatz, § 2313 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 BGB. Bedingung i.S.d. § 2313 BGB meint sowohl rechtsgeschäftliche als auch echte Rechtsbedingungen. Ein Recht ist ungewiss, wenn entweder der Bestand oder die Person des Berechtigten zweifelhaft ist, und unsicher, wenn die wirtschaftliche oder tatsächliche Verwertung zweifelhaft ist.
Die Anwendung des § 2313 BGB scheidet im hiesigen Fall aus. Der Zugriff auf das Vermögen unter Verstoß gegen den Grundsatz der Vermögensbindung stellt weder eine Bedingung noch ein ungewisses oder unsicheres Recht i.S.d. Vorschrift dar. Weder der Bestand des Rechts noch die Person des Berechtigten sind in irgendeiner Weise zweifelhaft. Auch die Verwertbarkeit des Geschäftsanteils zum Zeitpunkt des Todes ist eindeutig geklärt und wird im Rahmen der Bewertung berücksichtigt.
Der Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen setzt einen den Gesellschaftsvertrag ändernden Gesellschafterbeschluss oder eine (spätere) faktische Handlung voraus. Eine Bedingung i.S.d. § 2313 BGB ist darin nicht zu sehen.
Ein entsprechender Beschluss könnte nur dann berücksichtigt werden, wenn dieser bereits am maßgeblichen Stichtag gefasst worden wäre. Anderenfalls kann sich dieser nicht auf den Pflichtteilsanspruch auswirken, was auch durch die nachstehende Vergleichsüberlegung deutlich wird.
Beispiel:
A ist zu 50 % Gesellschafter der AB-GmbH. Sein disquotales Gewinnbezugsrecht beläuft sich zum Todeszeitpunkt auf 10 %. Fünf Jahre nach dem Erbfall einigt sich sein Erbe E mit dem Mitgesellschafter B auf eine Anhebung des Gewinnbezugsrechts auf 35 %. Selbstverständlich kann eine solche nachträgliche, allein aus dem Gesellschaftsverhältnis resultierende Veränderung den Pflichtteilsanspruch nicht beeinflussen.
bb. Zurückwirkende Rechtsveränderungen
Das Stichtagsprinzip kann zudem durch zeitlich nach dem Todestag eintretende, aber auf diesen zurückwirkende Rechtsveränderungen durchbrochen werden (z.B. durch Anfechtung).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Selbst wenn der Gesellschafter nach dem Todesfall einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss fasst, ändert dies nichts an dem Umstand, dass der Gesellschaftsvertrag zum maßgeblichen Zeitpunkt die entsprechenden wertmindernden Beschränkungen enthielt. Eine Rückwirkung vergleichbar dem § 142 Abs. 1 BGB sieht das Gesetz nicht vor.
Abschließend kommt eine Korrektur über § 242 BGB in Betracht.
Angesichts des starren Stichtagsprinzips und der daraus resultierenden Risikoverteilung liegt es in der Natur der Sache, dass es zu großen Härten kommen kann, wenn z.B. Nachlasswerte nach dem Erbfall verlorengehen oder erhebliche Wertsteigerungen verzeichnen. Allerdings kommt eine Korrektur nach § 242 BGB auch in solchen Fällen regelmäßig nicht in Betracht. Diese sind in Kauf zu nehmen.
Dies gilt auch für den hiesigen Fall des nachträglichen Entfalls der Gemeinnützigkeit. Etwas anderes käme nur im Fall des – praktisch wohl kaum nachweisbaren – Gestaltungsmissbrauchs in Betracht. Es würde dem Pflichtteilsberechtigen obliegen darzulegen und zu beweisen, dass der Erblasser die Gestaltung aus dem Grund wählte, um den Pflichtteil zu mindern.
Jedenfalls in Fällen, in denen die gGmbH tatsächlich über einen gewissen Zeitraum gemeinnützige Zwecke förderte, dürfte eine Korrektur nach § 242 BGB ausgeschlossen sein, sodass es bei der vorstehenden Bewertung des Geschäftsanteils verbleibt.