Leitsatz
1. Hat der Landesgesetzgeber (hier: Bayern) die Zuständigkeit des Nachlassgerichts zur Aufnahme des Inventars ausgeschlossen, so lässt das die Zuständigkeit zur Entgegennahme des Antrags auf amtliche Inventaraufnahme unberührt.
2. Die Bestimmung der Inventarfrist auf Antrag eines Nachlassgläubigers wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Erbe bereits zuvor Antrag auf amtliche Inventaraufnahme gestellt hat.
OLG München, Beschluss vom 24. Juli 2008 – 31 Wx 027/08
Sachverhalt
Der Beteiligte zu 1 ist gesetzlicher Alleinerbe der 2005 verstorbenen Erblasserin. Er beantragte die amtliche Aufnahme eines Inventars nach § 2003 BGB. Das Nachlassgericht reagierte zunächst nur mit dem Hinweis, dass in Bayern für die Erstellung eines Inventars die Notare zuständig sind.
Auf Antrag eines Nachlassgläubigers, des Beteiligten zu 2, bestimmte das Nachlassgericht dem Beteiligten zu 1 eine Inventarfrist von einem Monat. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde wies das Landgericht zurück. Nach Hinweis des Landgerichts, dass der Antrag des Erben auf amtliche Inventaraufnahme noch nicht abschließend bearbeitet sei, beauftragte das Amtsgericht einen Notar mit der Errichtung des Inventars. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1 sein Ziel weiter, dass die auf Antrag des Beteiligten zu 2 bestimmte Inventarfrist aufgehoben wird. Er ist der Meinung, dass die Bestimmung der Inventarfrist unzulässig gewesen sei, da er bereits zuvor die amtliche Aufnahme des Inventars beantragt hatte.
Aus den Gründen
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. (...)Das Landgericht hat das Verhältnis zwischen der amtlichen Inventaraufnahme (§ 2003 BGB) und der dem Erben auf Antrag eines Nachlassgläubigers gesetzten Inventarfrist (§ 1994 BGB) richtig dahin bestimmt, dass der Antrag des Erben auf amtliche Inventaraufnahme eine nachfolgende Fristsetzung auf Gläubigerantrag nicht ausschließt, solange das Inventar noch nicht errichtet ist.
a) Der Antrag des Erben auf amtliche Inventaraufnahme ist wirksam gestellt. Wie das Landgericht richtig ausführt, sind für die Entgegennahme dieses Antrags auch in Bayern die Nachlassgerichte zuständig. Zwar hat der Landesgesetzgeber durch Art. 8 AGGVG von der durch Art. 148 EGBGB eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Zuständigkeit des Nachlassgerichts zur Aufnahme des Inventars auszuschließen. Das betrifft jedoch nur die Inventaraufnahme als solche und lässt die Zuständigkeit des Nachlassgerichts zur Entgegennahme des Antrags unberührt (vgl. Staudinger/-Mayer BGB Bearb. 2005 Art. 148 EGBGB Rn 3). Geht ein solcher Antrag ein, so hat das Nachlassgericht einen Notar mit der Errichtung des Inventars zu beauftragen (vgl. Sprau/Vill Justizgesetze in Bayern Art. 8 AGGVG Rn 3).
Der Antrag auf amtliche Inventaraufnahme war noch wirksam und das Inventar noch nicht errichtet, als der Beteiligte zu 2 seinerseits Antrag auf Inventarfrist stellte. Seine Stellung als Nachlassgläubiger und das Bestehen der Forderung hat der Beteiligte zu 2 glaubhaft gemacht (§ 1994 Abs. 2 Satz 1 BGB).
b) Der Lauf des Verfahrens zur amtlichen Inventaraufnahme stand der Bestimmung einer Inventarfrist auf Antrag des Nachlassgläubigers nicht entgegen. Mit dem Antrag nach § 1994 BGB verfolgt der Nachlassgläubiger in erster Linie das Ziel, im Falle der Fristversäumung durch den Erben die unbeschränkbare Erbenhaftung zu erreichen (§ 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Bestimmung der Inventarfrist hat zu unterbleiben, wenn bereits ein den §§ 2002, 2003 BGB entsprechendes Inventar errichtet ist, ein gesetzlicher Ausschlussgrund – vgl. insb. § 2000 S. 2 und 3, §§ 2011, 2012 BGB – vorliegt oder der Antrag aus sonstigen Gründen völlig zwecklos ist, etwa weil der Erbe bereits unbeschränkbar haftend geworden ist (vgl. Staudinger/Marotzke BGB Bearb. 2002 § 1994 Rn 17 f; Soergel/Stein BGB 13. Aufl. § 1994 Rn 6). Keiner dieser Versagungsgründe greift hier ein.
Der Umstand, dass bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung durch den Nachlassgläubiger ein Verfahren zur amtlichen Inventaraufnahme anhängig ist, macht die Bestimmung der Inventarfrist nicht zwecklos und lässt für den Antrag des Gläubigers nicht das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Beide Verfahren – die Inventarfristsetzung nach § 1994 BGB und die amtliche Inventaraufnahme nach § 2003 BGB – stehen selbstständig nebeneinander. Das ergibt sich schon aus § 2003 Satz 2 BGB, wonach die Stellung des Antrags nach § 2003 Satz 1 BGB die Inventarfrist (d. h. jene nach § 1994 BGB) wahrt. Es ist kein plausibler Grund erkennbar, dass zwar der Erbe auch noch nach Antragstellung durch den Nachlassgläubiger einen (Frist wahrenden) Antrag auf amtliche Inventaraufnahme soll stellen dürfen, nicht aber der Nachlassgläubiger nach (potenziell Frist wahrendem) Beginn des Verfahrens auf amtliche Inventaraufnahme noch einen Antrag nach § 1994 BGB.
Der Senat teilt allerdings die Auffassung des Landgerichts, dass auch im letzten Fall § 2003 Satz 2 BGB greift, sodass die Fristsetzung auf Antrag des Gläubigers jedenfalls solange n...