Der vierte Senat des Bundesgerichtshofes wird einerseits die ergangenen untergerichtlichen Entscheidungen in Hinblick auf das Urteil des 9. BGH-Senates zum Insolvenzrecht vom 20.10.2003 (BGHZ 156, 350) in das Blickfeld nehmen und die Frage der Übertragbarkeit der dort entwickelten Argumentation überprüfen. Basis der Entscheidung wird aber die sich aus dem Gesetzeszusammenhang der §§ 2325 iVm 516 BGB ergebende dogmatische Ausgangssituation selbst sein, die die Entscheidung materiellrechtlich vorgibt. Es besteht Einigkeit darin, dass der Schenkungsbegriff des § 2325 BGB grundsätzlich derjenige der §§ 516, 517 BGB unter Einbeziehung des Ausstattungsbegriffs des § 1624 BGB ist.
2.1 Falsche Akzente
Nach Ansicht des Verfassers ist in letzter Zeit eine falsche Akzentuierung in die juristische Argumentationsführung hineingeraten, die den Blick mehr verstellt als erhellt. So leitet das OLG Düsseldorf den relevanten Abschnitt der Urteilsbegründung mit den Worten ein:
Zitat
"Mit dem LG Göttingen hält der Senat nämlich die neuere Entscheidung des BGH vom 23.10.2003 IX ZR 252, mag sie auch zu einer insolvenzrechtlichen Fragestellung ergangen sein, auf die vorliegende erbrechtliche Problematik des § 2325 BGB für übertragbar."
Das OLG Stuttgart wiederum sieht sich dazu veranlasst, bereits in seinen Entscheidungstenor explizit mit aufzunehmen, dass es seine Entscheidung als Abgrenzung zu vorgenanntem Urteil des Insolvenzsenates des BGH sieht.
2.2 Systematischer Weg
Es kann aber nicht primär um die Frage der "Vergleichbarkeit der Sachverhalte" im Insolvenz- und Erbrecht, also um die Fragestellung, ob die in der insolvenzrechtlichen Entscheidung des neunten Senats dargebrachten Argumente auf das Pflichtteilsergänzungsrecht übertragbar sind, gehen, sondern vielmehr um die Frage nach der Einheitlichkeit des zivilrechtlichen Schenkungsbegriffs selbst, denn der Schenkungsbegriff des § 516 f BGB ist es, der die Reichweite der Pflichtteilsergänzung bestimmt. Es gibt keinen spezifisch pflichtteilsergänzungsrechtlichen und somit eigenen Schenkungsbegriff. Pflichtteilsergänzung muss daher so durchgeführt werden, wie es die Dogmatik des Schenkungsbegriffs vorgibt. Ist die Entscheidung durch die Dogmatik des Schenkungsbegriffs vorgegeben, hat die Frage der Vergleichbarkeit mit der insolvenzrechtlichen Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2003 allenfalls noch sekundäre Bedeutung. Dieser Hinweis muss dem Verfasser auch dann noch erlaubt sein, wenn (auch) er es seinerzeit war, der das Urteil zur Insolvenzanfechtung des 9. Senates ganz in das Zentrum seiner Überlegung zum Pflichtteilsergänzungsrecht stellte und eine Änderung der Rechtsprechung des 4. Senates, nicht zuletzt aufgrund dieses Urteils, einforderte.