Leitsatz
1. Scheidungsfolgenvereinbarungen nach § 138 Abs. 1 BGB sind sittenwidrig, wenn sie eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung enthalten, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint (BGH NJW 2004, 930).
2. Der Ausschluss des speziellen Unterhaltsanspruchs nach § 1933 Satz 3 BGB für den Fall des Todes des Ehegatten nach Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags trägt zu einer evident einseitigen Lastenverteilung im Ehevertrag bei und führt zur Sittenwidrigkeit des vereinbarten Erb- und Pflichtteilsverzichts.
LG Ravensburg, Urteil vom 31. Januar 2008 – 2 O 338/07
Sachverhalt
Die Beklagten sind die Kinder aus der ersten, im Jahr 1994 geschiedenen Ehe der (....) (im Folgenden: Erblasserin). Der am 27.10.1966 geborene Kläger lernte die Erblasserin im Jahr 1996 kennen, und zog im Jahr 1997 in das von der Erblasserin bewohnte Einfamilienhaus in (...) ein. Er war seinerzeit als Montage-Maschinenschlosser bei der Firma (...) tätig und verdiente etwa 50.000,– DM jährlich. Im Jahr 1998 gab er seine Berufstätigkeit auf und lebte gemeinsam mit der Erblasserin von deren Einkünften aus der Vermietung und Verpachtung von Immobilien. Der Kläger und die Erblasserin heirateten am 28.12.2001 und schlossen am 10.1.2002 vor dem Notar (....) in (...) UR-Nr. (...) einen notariellen Vertrag (im Folgenden: Ehevertrag), der Gütertrennung, den Totalverzicht auf Unterhalt sowie den Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht und das gesetzliche Pflichtteilsrecht beinhaltet. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ehevertrag (Anl. K1) verwiesen. Wenige Tage vor dem Notartermin am 10.01.2002 in (...) waren der Kläger und die Erblasserin bereits bei dem Notar (...) in (...). Es kam in diesem Termin jedoch nicht zum Abschluss des Vertrages, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob es überhaupt zur Verlesung des Vertragsentwurfes kam. Die weitere Lebensplanung der Ehegatten ging dahin, dass diese weiterhin von den Einkünften der Erblasserin aus Vermietung und Verpachtung leben wollten. Eine Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit durch den Kläger war nicht vorgesehen. Kinder waren nicht beabsichtigt.
Am 23.2.2007 starb die Erblasserin an einer schweren Krankheit, von deren Diagnose sie etwa 1 1/2 Jahre vor ihrem Tod Kenntnis erhalten hatte. Nach dem Tod der Erblasserin erhielt der Kläger eine Lebensversicherungssumme von 51.000,– EUR aus einer von der Erblasserin im Jahr 2000 zu seinen Gunsten als Bezugsberechtigtem abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag. Außerdem erhält der Kläger eine Witwerrente von monatlich 184,31 EUR. Die Erblasserin hinterließ kein Testament. Die Beklagten haben in der Folgezeit den Standpunkt vertreten, dem Kläger stehe kein Erbrecht zu. Sie beantragten über den Notar (...) am 23.4.2007, ihnen einen Erbschein zu erteilen. Das Notariat in (...) hat am 20.08.2007 im Wege eines Vorbescheids (Az. IV NG Nr. 23/2007) angekündigt, einen Erbschein für die Beklagten 1 und 2 mit Erbteilen von jeweils 1/2 zu erlassen. Dagegen hat der Kläger sofortige Beschwerde eingelegt, über die das Landgericht Ravensburg (Az. 2 T 87/07) noch nicht entschieden hat. Der Kläger meint, dass der Vertrag vom 10.1.2002 gemäß § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig sei, und dass der Kläger somit gem. §§ 1371 Abs. 1, 1931 Abs. 1 BGB im Wege der gesetzlichen Erbfolge zur Hälfte Miterbe neben den Beklagten geworden sei. Der Kläger ist der Auffassung, er sei bei Abschluss des Ehevertrages in einer Drucksituation gestanden, da er bereits vor der Ehe seine Berufstätigkeit im Einverständnis mit der Erblasserin aufgegeben habe und der vermögens- und einkommensmäßig weitaus unterlegene Teil gewesen sei. Der Kläger behauptet, er habe den Vertragsentwurf im Notartermin vom 10.1.2002 erstmals gesehen. Er sei davon ausgegangen, dass in dem Termin lediglich "Gütertrennung" beurkundet werde. Ihm sei nämlich vor dem Termin gesagt worden, dass ein "Ehevertrag mit Gütertrennung" geschlossen werde, weil seine künftige Ehefrau im Falle der Scheidung nicht wünsche, dass der Kläger an einem etwaigen Zugewinn Teil haben sollte. Der Kläger meint weiter, der Totalverzicht auf Unterhalt und Zugewinnausgleich stelle eine einseitige Lastenverteilung dar, die in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreife. Eine zusätzliche Belastung bestehe insbesondere in dem Ausschluss des Unterhaltsanspruch nach § 1933 Satz 3 BGB. Wegen des Gesamtcharakters des Ehevertrages seien sämtliche Regelungen einschließlich der Vereinbarung von Gütertrennung und des Erb- und Pflichtteilsverzichts nach § 138 BGB nichtig. (...)
Aus den Gründen
I. Die Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat die Erblasserin im Wege der gesetzlichen Erbfolge nach § 1931 Abs. 1, 4 BGB zu einem Drittel beerbt. Der Ehevertrag vom 10.01.2002 ist wegen der evide...