1. Das Urteil befasst sich mit folgendem Sachverhalt: Der Vater starb 1982 und wurde gesetzlich beerbt von seiner Witwe zu 1/4 (die Eheleute lebten in Gütergemeinschaft) und seinen beiden Söhnen zu je 3/8. Zum Gesamtgut gehörte u. a. ein bebautes Grundstück in Freudenstadt, das von einem der Söhne – dem Kl. – (mit)bewohnt wird. Zur Regelung ihrer Nachfolge suchte die Witwe 1983 einen Notar auf, wobei sie insbesondere "das Haus" dem zusammen mit ihr darin wohnenden Sohn vererben will. Da der andere Sohn – der Bekl. – von den Eltern einen Bauplatz bekommen hat, sollte der Hausübernehmer seinem Bruder den Wert des halben Hauses ohne Grund und Boden auszahlen, damit die Kinder gleichbehandelt sind. Im Übrigen sollten die beiden Söhne das restliche Vermögen je zur Hälfte erben.
2. Der Notar empfahl völlig zu Recht, hier mit hälftiger Erbeinsetzung und einem (Voraus-)Verschaffungsvermächtnis zu arbeiten, da die Erblasserin ja nicht Alleineigentümerin des maßgeblichen Hausgrundstücks war, das sie dem übernehmenden Sohn vererben wollte. Dies ist ein bekanntes Gestaltungsmodell bei (beendeten, nicht auseinandergesetzten) Gütergemeinschaften, vgl. hierzu nur Palandt/Edenhofer, BGB, 68. Aufl. 2009, § 2169 Rn 3; Haegele, Rpfleger 1964, 138, 139; R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 3. Aufl. 2008, § 9 Rn 64, sowie BGH NJW 1964, 2298 für eine fortgesetzte Gütergemeinschaft. Die Formulierung im notariellen Testament lautete deshalb unmissverständlich: "Meine Erben sind verpflichtet, meinem Sohn A (dem späteren Kl.) dementsprechend gem. §§ 2170 ff BGB das Eigentum zu verschaffen." Die von der Rechtsprechung gestellten hohen Anforderungen an einen entsprechenden Erblasserwillen für ein Verschaffungsvermächtnis als Ausnahme zur Vermutung des § 2169 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB (vgl. hierzu jüngst OLG Karlsruhe ErbR 2008, 298 m. zust. Anm. Pastewski) sind problemlos erfüllt.
3. Nach Eintritt des Erbfalls am 27.1.2005 stellt der Städtische Gutachterausschuss am 13.9.2005 den Wert der Gebäulichkeiten mit 61.301 EUR und den Bodenwert mit 76.708 EUR sowie den Verkehrswert des Grundstücks um 3.009 EUR abgerundet mit 135.000 EUR fest. Im Nachlass befinden sich außer dem (wirtschaftlichen) 5/8-Anteil der Erblasserin am Nachlassgrundstück (halber Gesamtgutsanteil und geerbtes 1/4 am anderen halben Gesamtgutsanteil des Vaters) mit einem Wert von 84.375 EUR noch Guthaben in Höhe von 41.748 EUR. Das Geld wird in Höhe von verbliebenen 38.000 EUR kurz nach dem Erbfall hälftig zwischen den beiden Erben verteilt.
4. Aufgrund des angeordneten (Voraus-)Verschaffungsvermächtnisses konnte der übernahmeberechtigte Sohn nach dem Tod der Mutter sein Übernahmerecht ausüben und den miterbenden Bruder auf Auflassung des Grundstücks und Bewilligung der Eintragung als Alleineigentümer im Grundbuch Zug um Zug gegen Zahlung von 30.650,50 EUR erfolgreich verklagen. Sowohl Laien als auch Juristen ist das Institut des Verschaffungsvermächtnisses häufig völlig fremd und schwer vermittelbar. "Man kann doch nicht fremde Sachen vererben" – doch kann man (juristisch präziser: zumindest vermachen), wie ein Blick auf § 2170 BGB zeigt. Die Motive (Mugdan, V. S. 78) vermerken hierzu, dass der Beschwerte, mag er der Erbe oder selbst ein Vermächtnisnehmer sein, den Gegenstand, falls er ihm gehört, zu übertragen, falls er einem Dritten gehört, zu verschaffen hat, wobei beide Fälle in dem Ausdruck "zu verschaffen" zusammengefasst sind. Bereits 1964 hat der BGH (NJW 1964, 2298, 2299) ausgeführt, dass das Vermächtnis einen weiteren gegenständlichen Rahmen als die Erbeinsetzung habe, da es, eben in Gestalt des Verschaffungsvermächtnisses (§ 2170 BGB), mittelbar auch Gegenstände umfassen könne, die gar nicht zum Nachlass des Erblassers gehörten.
5. Voraussetzung ist natürlich, dass der Bruder das Erbe annimmt und dadurch Schuldner der Nachlassverbindlichkeit "Verschaffungsvermächtnis" wird, was im entschiedenen Fall so war. Nur durch eine Erbausschlagung nach den §§ 2306 Abs. 1 Satz 2, 1944 ff. BGB hätte der Bruder und spätere Bekl. diesem Anspruch entgehen können (vgl. BGH NJW 1964, 2298, 2299; Haegele, Rpfleger 1964, 138, 140; Johannsen, WM 1972, 866, 875) und stattdessen einen Pflichtteil von 1/4 am mütterlichen Nachlass generiert und natürlich seine vom Vater geerbten 3/8 am halben Gesamtgutsanteil behalten.
6. In Verkennung dieser rechtlichen Gegebenheiten erklärte der Bekl. mit Schreiben vom 6.4.2006 ans Nachlassgericht die Anfechtung des Testaments der Mutter vom 4.3.1983, dessen Kenntnis er am 27.4.2005 erlangt hatte, gem. § 2078 Abs. 1 BGB mit der Begründung, die Erblasserin habe in dem Testament über Vermögen verfügt (Grundstück), über das sie selbst nicht allein habe verfügen können, da dieses zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gezählt habe. Die Erblasserin habe sich im Irrtum hierüber befunden. Diese (evident falsche, s. o. 2.) Begründung wurde später, allerdings erst nach Ablauf der Jahresfrist am 27.4.2006, dahin ergänzt, dass die Erblas...