Leitsatz
Erfüllung eines Vorausvermächtnisses
LG Rottweil, Urteil vom 13. November 2006 – 2 O 295/06
Sachverhalt
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erfüllung eines Verschaffungsvermächtnisses auf den Tod der Mutter der Parteien. Die Parteien sind Brüder. Sie sind die Kinder der Eheleute (...). Die Eheleute haben in Gütergemeinschaft gelebt (...). (...) ist am 11.5.1982 verstorben und wurde kraft gesetzlicher Erbfolge von seiner Witwe zu 1/4 und von den beiden Söhnen, den Parteien, zu je 3/8 beerbt. (...) ist am 27.1.2005 verstorben. Nach dem notariellen Testament vom 4.3.1983 sind die Söhne zu je 1/2 als Erben eingesetzt. Die Erbschaften nach (...) und (...) wurden von den Parteien jeweils angenommen. Das notarielle Testament vom 4.3.1983 enthält unter § 2 u. a. folgende Regelungen:
Zitat
§ 2
Bei der Auseinandersetzung unter den Erben darf mein Sohn (...) das Grundstück Grundbuch von Freudenstadt, (...) Gemarkung Freudenstadt, Gebäude 33, Wohnhaus, Eingang, Hof und Garten zu 6,48 ar mit allen Rechten und Bestandteilen sowie gesetzlichem Zubehör in sein alleiniges Eigentum übernehmen mit folgenden näheren Bestimmungen:
1. Dieses Grundstück ist alsbald nach meinem Ableben gemäß § 136 ff BBauG durch den Gutachterausschuss amtlich zu schätzen. Bei dieser Schätzung hat der Grund und Boden außer Ansatz zu bleiben, sodass nur die aufstehenden Gebäude zu bewerten sind. Dieser amtliche Gebäude-Schätzwert stellt dann den Übernahmepreis dar. Nach Vorlage des Schätzungsergebnisses hat mein Sohn unverzüglich zu erklären, ob er zu diesen Bedingungen das Übernahmerecht ausüben will. Bei Übernahme hat er die Schätzungskosten zu tragen.
2. Die Grundstücksübernahme erfolgt in Anrechnung auf die Erbbeteiligung. Die sich danach ergebende Gleichstellungsforderung seines Bruders hat der Grundstücksübernehmer ein Jahr nach meinem Ableben zum Schlusse des Kalendermonats zu begleichen, und zwar bis dahin zinsfrei bleibend.
3. (...)
4. Meine Erben sind verpflichtet, meinem Sohn dementsprechend gemäß §§ 2170 ff BGB das Eigentum zu verschaffen.
5. Der Grund und Boden ist deshalb bei der Schätzung nicht mitzuveranschlagen, weil der Sohn 1972 den von unserem Anwesen abgehenden Bauplatz über 590 m² zum Voraus ohne Entschädigung erhalten hat.
6. (...)
Für das Grundstück wurde ein Verkehrswertgutachten der Stadt Freudenstadt eingeholt. Nach dem Gutachten wurden die Gebäude (ohne Grund und Boden) mit 61.301,00 EUR bewertet. (...) Der Kläger hat erklärt, dass er vom Übernahmerecht Gebrauch mache. Der Beklagte hat vor Jahren den Grund und Boden in Freudenstadt, auf dem das von ihm bewohnte Gebäude steht, von den Eltern erhalten. Im Jahr 1965 verkauften die Eheleute den Bauplatz an die Württembergische Landsiedlung GmbH. Den entsprechenden Verkaufserlös von 3.660,00 DM haben die Eltern an den Beklagten abgetreten. Der Betrag wurde dem Eigenleistungskonto des Beklagten gutgeschrieben. Entsprechend den bereits im Kaufvertrag vom 23.6.1965 enthaltenen Erklärungen wurden mit Kauf- und Übereignungsvertrag vom 7.6.1973 das Grundstück, das zwischenzeitlich bebaut worden war, von der Landesgesellschaft Baden-Württemberg mbH, wie die württembergische Landsiedlung GmbH zwischenzeitlich firmierte, zum Gesamtkaufpreis von 109.500 DM an den Beklagten und dessen Ehefrau (zurück)übertragen. Hierbei wurde der Grund und Boden mit 3.540 DM (...) veranschlagt. Dies entspricht dem endgültigen Kaufpreis gemäß Vertragsanpassung von 10.10.1972. (...) Der Beklagte hat mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 6.4.2006 an das Notariat Freudenstadt III, Nachlassgericht, die Anfechtung des Testaments vom 4.3.1983 gemäß § 2078 Abs. 1 BGB erklärt mit der Begründung, die Erblasserin habe in dem Testament vom 4.3.1983 über Vermögen verfügt, über das sie selbst nicht allein habe verfügen können, da dieses zum Gesamtgut der Gütergemeinschaft gezählt habe. Die Erblasserin habe sich im Irrtum hierüber befunden. (...)
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Dem Kläger steht der aus dem Testament ersichtliche Anspruch gegen den Beklagten aus §§ 2174, 2170, 2169, 2147, 1967 Abs. 2, 2058, 421 BGB in Verbindung mit § 2 des notariellen Testaments vom 4.3.1983 zu.
1. Das notarielle Testament vom 4.3.1983 ist wirksam. Es ist nicht durch die vom Beklagten erklärte Anfechtung von Anfang an nichtig (§ 142 BGB in Verbindung mit § 2078 BGB). Es liegt kein Anfechtungsgrund nach § 2078 BGB vor. Denn die – vom Notar rechtlich beratene – Erblasserin befand sich weder in einem Irrtum darüber, mit welchem rechtlichem Gehalt die von ihr errichtete Verfügung von Todes wegen Geltung erhalten soll, noch ging sie in § 2 Nr. 5 des Testaments (Übertragung eines Bauplatzes ohne Entschädigung an den Beklagten) von falschen Tatsachen aus. Allerdings liegt eine Anfechtungserklärung innerhalb der Anfechtungsfrist (§§ 2081,2082 BGB) vor. Die Anfechtungserklärung liegt im Schreiben vom 6.4.2006 an das Nachlassgericht und ist fristgerecht, nachdem der Beklagte erst am 27.4.2005 von dem Testament der Erblasserin Kenntnis erlangt ha...