Einführung
Die Verjährung von Ansprüchen, die in Person des Erblassers entstanden sind, setzt Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB voraus. Zwei Fälle sind zu unterscheiden:
(I) Der Erblasser selbst hatte Kenntnis (oder hätte sie, wie im Folgenden immer mitzudenken ist, ohne grobe Fahrlässigkeit haben müssen).
(II) Der Erblasser hatte zum Todestag keine Kenntnis. Unter welchen Voraussetzungen kann sie dann beim Erben entstehen oder ihm zugerechnet werden?
I. Kenntnis des Erblassers
1. Vererblichkeit
Zur Frage, ob derartige Kenntnis des Erblassers auf den Erben übergeht, findet sich zu § 1922 BGB nichts; nach einzelnen, insoweit pauschal gefassten Erläuterungen zu § 199 BGB soll dies der Fall sein. Als eigenständige Vermögensposition kommt die Kenntnis nicht in Betracht. Auf Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs hat sie keinen Einfluss. Sie begründet, liegt sie vor, seine subjektive Durchsetzbarkeit, fehlt sie, verjährt der Anspruch zum Ablauf des zehnten bzw. dreißigsten Folgejahres gerechnet ab seiner Entstehung, § 199 Abs. 2 bis 4 BGB. Danach kommt es auf Kenntnis unter keinem Aspekt mehr an.
Unabhängig davon, welchen rechtlichen Charakter man ihr zumessen will, scheint sie bloßes Akzidens zum Anspruch, haftet ihm als Zufälligkeit an, nicht als essenziell, und der Anspruch geht auf den Erben nach § 1922 BGB so über, wie er in Person des Erblassers entstanden ist – als ihm bekannter oder ihm eben nicht bekannter.
2. Wisssenszurechnung
a) Meinungsstand
Nicht die Kenntnis des Anspruchsinhabers, sondern diejenige von Dritten soll maßgeblich sein in drei Fallgruppen: Minderjährigkeit, Betreuung sowie unter dem Schlagwort "Wissensvertreter", zusammengefasst: bei gesetzlicher oder gewillkürter Vertretung.
Der Fundus an Rechtsprechung betrifft ganz überwiegend die §§ 852 aF, 1944 Abs. 2 Satz, 1, 2332 Abs. 1 BGB, die Fälle also, da Kenntniserlangung eine Frist in Lauf setzt, innerhalb derer zur Vermeidung bestimmter Rechtsfolgen, etwa Verjährung oder Erbanfall, bestimmte Rechtshandlungen vorzunehmen sind, etwa Klagerhebung oder Ausschlagung.
Im Falle gesetzlicher Vertretung des Minderjährigen durch die Eltern soll es allein auf deren Kenntnis ankommen. Haben beide Eltern das Sorgerecht, wird einerseits vertreten, Kenntnis von Vater oder Mutter reiche aus, andererseits, es müssten beide Elternteile Kenntnis haben. Kenntnis allein eines Elternteils ohne Sorgerecht reicht jedenfalls nicht.
Im Falle der Betreuung gemäß § 1903 BGB, also mit Einwilligungsvorbehalt, ist die Kenntnis des Betreuers maßgeblich. Entschieden wurde dies für einen Gebrechlichkeitspfleger im Hinblick auf Kenntnis von der Verfügung gemäß § 2332 BGB. Was bei Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt gilt, findet sich nicht diskutiert.
Als Träger der Kenntnis kommen auch gewillkürt eingeschaltete Dritte in Betracht. Zurechnung erfolgt hierbei im Wege der Analogie. § 166 Abs. 1 BGB greift dem Wortlaut nach nur für die Willenserklärungen eines Vertreters, ordnet Wissensvertretung also nur beim Abschluss von Verträgen an. "Geboten ist freilich eine analoge Anwendung der Norm, und zwar in doppelter Hinsicht: über den Kreis rechtsgeschäftlicher Vertreter hinaus und unabhängig von der Rechtsnatur des konkreten Anspruchs." Nach BGH "muss sich der derjenige, der einen anderen – unabhängig von einem Vertretungsverhältnis – mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung betraut, das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen." Dieser Gedanke leitet sich aus dem allgemeinen Arglisteinwand her: Wer Wissen ohne Weiteres bei von ihm bestellten Dritten abrufen kann, handelt arglistig, wenn er sich auf Unkenntnis beruft.
Über die bloße Vertretungsmacht hinaus muss demnach eine Beauftragung gegeben sein, kraft derer dem Dritten die selbstständige Erledigung eines Aufgabenbereichs zugewiesen ist. (Hatte der Erblasser dem Dritten etwa Vorsorgevollmacht erteilt, von der indessen nie Gebrauch gemacht wurde, und gelangt dieser Dritte per Zufall zu Kenntnissen, so wäre eine Zurechnung ausgeschlossen.)