Zur Lösung dieses Problems erscheint es zunächst verlockend, die Prüfung im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle danach zu unterscheiden, ob die Ehe durch Tod oder durch Scheidung beendet wurde. Je nachdem könnte der Kontrollmaßstab der konkreten Entwicklung angepasst werden. Die Wirksamkeitskontrolle bezieht sich jedoch allein auf den Abschluss des Vertrags, mithin auf einen Zeitpunkt, zu dem gerade noch nicht feststeht, auf welche Weise die Ehe enden wird. Eine Beurteilung der Rechtsgültigkeit des Vertrags in Abhängigkeit von den nach seinem Abschluss eintretenden Entwicklungen ist im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle mithin nicht zulässig.
Es muss daher eine andere Lösung gefunden werden. Sie sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass bei Abschluss des Ehe- und Pflichtteilsverzichtsvertrages noch nicht vorhersehbar ist, ob sich der Vertrag einmal in erbrechtlicher oder unterhaltsrechtlicher Weise auswirken wird. Es gilt, die über die unterhaltsrechtliche Fernwirkung erzeugte Doppelnatur des Pflichtteilsverzichts als erbrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Verzicht zu berücksichtigen. Angesichts dieser Erkenntnis liegt die Lösung bereits auf der Hand. Sie besteht in der Teilbarkeit der Verzichtserklärungen der Ehegatten in einen erbrechtlichen und einen auf die Vorschrift des § 1586 b BGB bezogenen unterhaltsrechtlichen Teil. Hinsichtlich der Frage, ob der Pflichtteilsverzicht von der Sittenwidrigkeit des Ehevertrags infiziert und deswegen nichtig ist, sind die teilbaren Erklärungen dann getrennt zu betrachten. Endet die Ehe durch den Tod eines der Ehegatten, verbleibt es bei dem von den Ehegatten gewollten Ausschluss von der erbrechtlichen Mindestteilhabe, während im Falle der Lösung durch Scheidung sämtliche nachehelichen Unterhaltsansprüche im Falle des Falles zum Schutze des schwächeren Ehegatten über § 1586 b BGB fortzusetzen sind.
Dieses Vorgehen überzeugt auch im Hinblick auf die Norm des § 139 BGB. So wird es zunächst regelmäßig im Einklang mit dem hypothetischen Parteiwillen stehen.
Dieser wird zum Zeitpunkt des Abschlusses von Ehe- und Pflichtteilsverzichtsvertrag entgegen der Grundregel des § 139 BGB darauf gerichtet sein, den von der Sittenwidrigkeit des Ehevertrags weder unmittelbar noch mittelbar betroffenen rein erbrechtlichen Teil der Gesamtvereinbarung aufrechtzuerhalten. Durch eine nur auf die unterhaltsrechtlichen Wirkungen des Pflichtteilsverzichtsvertrags bezogene Teilnichtigkeit wird den Parteien auch keineswegs eine Regelung aufgezwungen, die sie so nie gewollt haben. Denn die unterhaltsrechtlichen und erbrechtlichen Wirkungen eines Verzichts auf den Ehegattenpflichtteil können nie gemeinsam auftreten, sie ergänzen sich nicht etwa als verschiedene Mosaiksteine eines einheitlichen Bildes, das nur in seiner Gesamtheit den Willen der Parteien widerzuspiegeln vermag. Sie stehen vielmehr in einem Alternativverhältnis. Mit dem Eintritt der einen Alternative (Tod oder Scheidung) steht fest, dass es zur anderen nicht mehr kommen wird. Daher ist nicht ersichtlich, warum die Ehegatten in unterstellter Kenntnis der Nichtigkeit des Ehevertrags sowie des Ausschlusses der Ansprüche aus § 1586 b BGB nun auch von dem mit rein erbrechtlicher Zielsetzung erklärten Verzicht auf das eigentliche Pflichtteilsrecht Abstand hätten nehmen sollen.
Auch der hinter der Sanktion der Sittenwidrigkeit liegende Schutzzweck wird bei der hier favorisierten Beurteilung nicht unterlaufen. Denn dieser liegt in der vorliegend behandelten Konstellation allein in der Sicherung der (fortgesetzten) nachehelichen Unterhaltsansprüche, die durch die Aufrechterhaltung des rein erbrechtlich wirkenden Verzichts auf das Pflichtteilsrecht grundsätzlich nicht tangiert werden.
Überzeugend ist eine derart differenzierte Betrachtung nicht zuletzt auch deshalb, weil sie gerade dann eine sachgerechte Lösung ermöglicht, wenn die Ehegatten – wie häufig – einen gegenseitigen Pflichtteilsverzicht vereinbart haben. Denn durch die getrennte Betrachtung der Wirksamkeit des unterhaltsrechtlichen Teils des Pflichtteilsverzichts wird zugleich verhindert, dass die Sittenwidrigkeit des Verzichts auf die Ansprüche aus § 1586 b BGB womöglich sogar dem stärkeren Ehegatten zugute kommt, für den eine nacheheliche Unterhaltsbedürftigkeit nie zur Debatte stand und der daher nicht schutzwürdig ist. Der Eintritt eines solchen Falles wäre nämlich ohne die getrennte Betrachtung dann nicht auszuschließen, wenn die Sittenwidrigkeit des Ehevertrags die vollständige Nichtigkeit des Pflichtteilsverzichts nach sich zöge. Denn im Falle des Vorversterbens des eigentlich allein schutzwürdigen Ehegatten führte sie dann zu einem Pflichtteilsrecht des stärkeren Ehegatten, obwohl es für einen derart korrigierenden Eingriff in dieser Konstellation keinen Grund gibt.