Wenn gesetzliche Erben aufgrund Testaments von der Erbfolge ausgeschlossen werden, steht ihnen ein Pflichtteilsrecht zu, das im kroatischen Recht als echtes Noterbenrecht ausgestaltet ist.
Den Erben erster Ordnung steht nach Art. 69 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 70 Abs. 3 kroat. ErbG ein Pflichtteil in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils zu. Daneben haben gemäß Art. 69 Abs. 2 kroat. ErbG die Eltern sowie die weiteren Vorfahren (Großeltern, Urgroßeltern usw.) nur unter der Voraussetzung ein Pflichtteilsrecht, dass sie dauerhaft arbeitsunfähig sind und nicht genügend Mittel zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts haben. Der Pflichtteil dieser Personengengruppe beträgt nach Art. 70 Abs. 3 kroat. ErG ein Drittel des gesetzlichen Erbteils.
Nach Art. 70 Abs. 1 kroat. ErbG handelt es sich um ein echtes Noterbenrecht; der Pflichtteilsberechtigte ist Miterbe und direkt am Nachlass beteiligt. Er ist unmittelbar dinglich berechtigt. In einen deutschen Erbschein ist der Pflichtteilsberechtigte daher mit seinem Anteil aufzunehmen.
In der Praxis kommt es häufig vor, dass ein Pflichtteilsberechtigter – oft ein in Kroatien lebendes Kind aus einer früheren Beziehung des Erblassers – durch Verschweigen im Erbscheinsantrag übergangen wird. Für den Fall, dass ein Pflichtteilsberechtigter im Erbverfahren übergangen wird und die Miterben sein Erbrecht nicht anerkennen, muss der Pflichtteilsberechtigte sein Recht im Wege der Herabsetzungsklage gegen die Miterben beim Zivilgericht einfordern. Antrag und Tenor sind dann auf die Feststellung der Verletzung des Pflichtteilsrechts durch das Testament und Herabsetzung der Erbverfügung um den Pflichtteil gegenüber den Miterben gerichtet.
Die Herabsetzungsklage kann natürlich auch vor einem deutschen Zivilgericht geführt werden; umstritten ist, ob sie Voraussetzung für die Einziehung eines unrichtigen Erbscheins ist, der das Pflichtteilsrecht nicht berücksichtigt, oder ob dieser direkt vom Nachlassgericht eingezogen werden kann. Die derzeit herrschende Meinung geht davon aus, dass der Erbschein erst dann eingezogen wird, wenn der Pflichtteil im Wege der Herabsetzungsklage geltend gemacht wird. Die Gerichtspraxis ist unterschiedlich. Es spricht allerdings einiges dafür, dass das Nachlassgericht den Erbschein ohne vorherige Herabsetzungsklage einziehen kann. Auf das Verfahrensrecht ist nämlich die lex fori anzuwenden, und das kroatische Erbverfahren und das deutsche Erbscheinsverfahren unterscheiden sich sehr. Die kroatische Erbentscheidung, die in der Regel von einem Notar erlassen wird, wird rechtskräftig, der deutsche Erbschein setzt dagegen nur einen Rechtsschein. Die kroatische Erbentscheidung muss daher mit einer Herabsetzungsklage angegriffen werden, während der Erbschein direkt beseitigt werden kann. Auch aus praktischen Gründen erscheint es nicht sinnvoll, wenn das Nachlassgericht sehenden Auges einen als unrichtig erkannten Erbschein nicht einzieht, weil formal auf der Vorschaltung eines Zivilverfahrens bestanden wird. Die Nachlassgerichte ermitteln außerdem nach dem Amtsermittlungsgrundsatz und verfügen über eine große Expertise bei der Anwendung des (ausländischen) Erbrechts. Zudem trifft den übergangenen Pflichtteilsberechtigten ein weit höheres Kostenrisiko, was dazu führen kann, dass die materielle Wahrheit nicht zur Geltung kommt.