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Kroatische Staatsangehörige stellen in Deutschland eine der größten Migrantengruppen. Viele in Deutschland lebende Kroaten sind als sogenannte Gastarbeiter angeworben worden und haben Vermögenswerte aufgebaut, sodass erbrechtliche Fragen relevant werden. Sowohl in der Vorfeldberatung bei Errichtung von Testamenten oder Übertragung von Vermögenswerten als auch im Nachlassverfahren muss Internationales Privatrecht, deutsches und kroatisches Erbrecht berücksichtigt werden. Aufgrund der seit 17. August 2015 anwendbaren EU-Erbrechtsverordnung ergeben sich hier erhebliche Veränderungen. Das kroatische Erbrecht weist aufgrund anderer rechtskultureller Entwicklungen etliche Unterschiede zum deutschen Erbrecht auf, die bei Anwendung kroatischen Erbrechts von deutschen Gerichten beachtet werden müssen. So besteht etwa auch ein Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners, ein Verbot gemeinschaftlicher Testamente oder ein echtes Noterbenrecht des Pflichtteilsberechtigten. Der folgende Beitrag soll einen Überblick über die erbrechtliche Problematik geben, wobei ausschließlich die rechtliche Situation für kroatische Erblasser, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, beleuchtet wird.
I. Die Anwendung kroatischen Erbrechts in Deutschland
1. Erbfall bis zum 17. August 2015
Zunächst wird die bisher gültige Rechtslage vorgestellt; diese gilt für alle Verfahren, in denen der Erblasser vor dem 17. August 2015 verstorben ist.
a) Zuständigkeit
Die Zuständigkeit des Nachlassgerichts bezüglich eines kroatischen Staatsbürgers, der in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ergibt sich aus den §§ 105, 343 FamFG. Danach folgt die internationale Zuständigkeit aus der örtlichen Zuständigkeit, weswegen das Gericht des letzten Wohnsitzes zuständig ist. Der früher angewandte Gleichlaufgrundsatz und dessen Erweiterung auf ausländische Sachverhalte ist mit dem Inkrafttreten des FamFG obsolet geworden. Damit ist nun sowohl die Erteilung eines unbeschränkten als auch eines gegenständlich beschränkten Erbscheins möglich.
b) Anwendung kroatischen Erbrechts
Nach Art. 25 EGBGB richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Für kroatische Staatsangehörige ist damit kroatisches Erbrecht anwendbar, da das kroatische Internationale Privatrecht gemäß Art. 30 des Gesetzes über die Beilegung von Konflikten der Gesetze mit Vorschriften anderer Länder in bestimmten Verhältnissen die Verweisung auch annimmt. Diese Anknüpfung gilt für das materielle Recht, das Verfahrensrecht richtet sich nach der lex fori, also vor deutschen Gerichten nach deutschem Recht. Wenn der Erblasser die deutsche und die kroatische Staatsangehörigkeit hat ("doppelte Staatsangehörigkeit"), richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen vor dem deutschen Nachlassgericht gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB nach deutschem Recht. Eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts ist für kroatische Staatsangehörige nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB nur für in Deutschland belegene Immobilien möglich.
Nach dem Erbstatut werden grundsätzlich alle erbrechtlichen Fragen beurteilt, also insbesondere auch die gesetzliche Erbfolge, die Zulässigkeit von Testamenten und Erbverträgen, die Testamentsauslegung oder etwa Pflichtteilsreichte. Die wesentliche Rechtsquelle ist dabei das kroatische Erbgesetz.
c) Gesetzliche Erbfolge
Sofern der Erblasser kein Testament errichtet hat, richtet sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach der gesetzlichen Erbfolge. Die gesetzlichen Erben sind untergliedert in fünf Ordnungen, wobei die vorhergehende Ordnung die nachfolgende ausschließt.
Gemäß Art. 8, 9 Abs. 2 kroat. ErbG sind Partner und Kinder zu gleichen Teilen als Erben der ersten Ordnung erbberechtigt. Eine Unterscheidung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern existiert nicht. Erbe der ersten Ordnung ist nicht nur der Ehegatte, sondern auch der nichteheliche Lebenspartner. Voraussetzung einer solchen nichtehelichen Lebenspartnerschaft ist nach Art. 8 Abs. 2 kroat. ErbG die Erfüllung folgender drei Kriterien:
Die Lebenspartnerschaft muss über einen längeren Zeitraum bestanden haben.
Die Lebenspartnerschaft darf erst durch de...