In den neuen Bundesländern und im Bundesland Berlin hat die praktische Be­deutung des Erbbaurechts erheblich zugenommen. Denn das am 1.10.1994 in Kraft getretene Sachenrechtsänderungsgesetz (SachenRÄndG)[2] führte zur Überleitung der besonderen Rechtsverhältnisse an Grundstücken in den neuen Bundesländern die sogenannte Vertragslösung ein.

Zu bereinigen waren Rechtsverhältnisse an Grundstücken im Gebiet der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), die seit der militärischen Kapitulation des als Staat untergegangenen Deutschen Reichs am 9.5.1945 in Berlin-Karlshorst von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) in Berlin-Karlshorst befohlen worden waren. Sie entsprachen zumindest in den wesentlichen Grundzügen dem Rechtssystem, das seit der kommunistischen Oktoberrevolution von 1917 unter Lenin in der Stadt Sankt Petersburg[3] im untergegangenen russischen Zarenreich in dem (damals) neuen russischen Nachfolgestaat Sowjet-Union (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken – UdSSR) nach und nach entstanden war.

Diese Befehle der SMAD wurden von der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bei ihrer Gründung als neuer Staat am 7.10.1949 als Teil ihres eigenen Rechtssystems übernommen. Sie dienten anschließend in der ehemaligen DDR als Vorbild für die Entwicklung von deren eigenem kodifizierten Rechtssystem bis zur Wiedervereinigung Deutschlands am 3.10.1990.

Nach den Regelungen des Einigungsvertrages (EV)[4] hatte das auf die beschriebene Weise entstandene sozialistische Rechtssystem der ehemaligen DDR einstweilen weiterbestanden. Dabei war die Bestellung von Erbbaurechten neben dem Ankauf be­troffener Grundstücke eine der Lösungsmöglichkeiten.[5]

Der nach dem SachenRÄndG zu schützende Grundstücksnutzer konnte nach § 32 S. 1 SachenRBerG vom Grundstückseigentümer die Annahme eines Angebots auf Bestellung eines Erbbaurechts verlangen. In diesem Zusammenhang wurden Sonderregelungen für diese so zu bestellenden Erbbaurechte eingeführt sowie auch Änderungen an der früheren Erbbaurechtsverordnung (ErbbauVO)[6] vorgenommen.

Die Zahl der betroffenen Grundstücke in den neuen Bundesländern kann nur geschätzt werden. Es gibt kein zuverlässiges statistisches Material der ehemaligen DDR über verliehene Nutzungsrechte sowie zu Fällen der Überbauung fremder Grundstücke ohne solche verliehenen Nutzungsrechte. Erhebungen aus den vorhandenen Grundbuchbeständen führen ebenfalls zu keinem Ergebnis. Die Grundbücher in der ehemaligen DDR sind unvollständig und weisen belastende Drittrechte in der Regel auch dann nicht aus, wenn sie nach dem einschlägigen Grundbuch- und Grundbuchverfahrensrecht der ehemaligen DDR an sich in das Grundbuch hätten eingetragen werden müssen.[7]

Nach Schätzungen aus dem Bereich des Bundesministers der Justiz (BMJ) waren bis zu 300.000 Eigenheime, etwa 90.000 Wirtschaftsgebäude sowie rund 400.000 Wohnungen betroffen, die im komplexen Wohnungsbau errichtet wurden. Grundlage dieser Schätzungen waren die Statistik der ehemaligen DDR über Neubauten und Angaben des Bundesministers für Landwirtschaft und Forsten (BML) zur Zahl von An­trägen bei den Flurneuordnungsbehörden auf Zusammenführung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum nach § 64 Landwirtschaftsanpassungsgesetz (LwAnpG)[8]. Dort lagen bis Mitte 1992 über 100.000 solche Anträge für Eigenheime und mehr als 70.000 Anträge für LPG-Wirtschaftsgebäude vor.[9]

Es kommt hinzu, dass Artikel 2 des Schuldrechtsänderungsgesetzes (SchuldRÄndG)[10] mit Wirkung vom 1.1.1995 das Erholungsnutzungsrechtsgesetz (ErholNutzG) eingeführt hatte. Nach diesem Gesetz konnten der Grundstückseigentümer und der Grundstücksnutzer die Bestellung von Erbbaurechten an solchen Grundstücken verlangen, an denen für die Errichtung eines Wochenendhauses oder eines anderen persönlichen, jedoch nicht Wohn- und betrieblichen Zwecken dienenden Gebäudes ein Nutzungsrecht verliehen worden war, wenn ein entsprechender Anspruch auf Bestellung eines Erbbaurechts nach dem SachenRBerG nicht in Betracht kam.

Im Zuge der Sachenrechtsbereinigung und der Schuldrechtsanpassung ist es für eine Vielzahl von Grundstücken in den neuen Bundesländern zur Bestellung von Erbbaurechten sowohl für Wohnnutzungen als auch für gewerbliche Nutzungen oder für Nutzungen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sowie für Kleingärten i.S.d. Bundeskleingartengesetzes (BuKleingG)[11] gekommen. Dabei sind naturgemäß vornehmlich solche Nutzer und Grundstückseigentümer betroffen, die in den neuen Bundesländern und im früheren Berlin-Ost gewohnt hatten.

Es gab aber auch Fälle, in denen wenigstens eine Partei des Erbbaurechtsvertrages ihren Wohnsitz in der "alten Bundesrepublik Deutschland" und im ehemaligen Berlin-West hatte. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die Fälle erfolgreicher "Republikflucht aus der ehemaligen DDR"[12] durch solche ehemaligen DDR-Bürger, die Grundbesitz in der ehemaligen DDR hatten. Sie wurden beinahe regelmäßig entschädigungslos enteignet. Gleiches gilt für solche ehemaligen DDR-Bürger, die ...

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