Leitsatz
1. Ein notarieller Erbvertrag (1997), in dem die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann sich gegenseitig – unter ausdrücklich vereinbarter Bindungswirkung – als alleinige und unbeschränkte Erben und zu Erben des Letztversterbenden "mit Beteiligung zu je ein Halb" den gemeinsamen Sohn und die "ersteheliche" Tochter der Erblasserin eingesetzt haben, steht der Wirksamkeit eines von der Erblasserin nach dem Tode des Ehemannes errichteten privatschriftlichen Testament (2017) mit dem sie den gemeinsamen Sohn zu ihrem unbeschränkten und alleinigen Erben einsetzt, nicht entgegen, wenn – wie hier – die ursprüngliche Verfügung im Erbvertrag zugunsten der "erstehelichen" Tochter der Erblasserin als Schlusserbin zu ½ durch deren Vorversterben hinfällig geworden ist.
2. Für ein Erbrecht der Enkelin (Kind der "erstehelichen" Tochter) nach der Erblasserin ist entscheidend, ob sie für die vorverstorbene Tochter der Erblasserin – wie hier vom Senat verneint – als Ersatzerbin eingesetzt und die Erblasserin nach dem Tode ihres Ehemannes an eine solche Ersatzerbeneinsetzung gebunden war.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.5.2020 – I-3 Wx 135/19
1 Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1 ist der Sohn der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes. Er hat am 7.2.2019 einen Erbschein als Alleinerbe der Erblasserin beantragt.
Die Eltern des Beteiligten zu 1 hatten am 12.8.1997 einen notariellen Erbvertrag geschlossen und sich darin gegenseitig als alleinige und unbeschränkte Erben eingesetzt (Ziff. 2). Zu’Erben des Letztversterbenden haben sie den Beteiligten zu’1 und die "ersteheliche" Tochter der Erblasserin "mit Beteiligung zu je ein Halb" eingesetzt (Ziff. 3). Im Anschluss an diese Verfügungen haben sie bestimmt, dass die Bestimmungen des Erbvertrages für sie bindend sein sollten und dass keiner von ihnen sich das Recht zum Rücktritt vorbehalten wolle. Über die durch den Erbvertrag eintretende Bindung seien sie belehrt (Ziff. 4).
Mit notarieller Urkunde vom gleichen Tage verzichtete der Beteiligte zu 1 auf sein Pflichtteilsrecht am Nachlass des Erstversterbenden seiner Eltern, die Tochter der Erblasserin auf ihr Pflichtteilsrecht an deren Nachlass.
Mit notarieller Urkunde vom 22.3.2007 vereinbarte die Erblasserin mit ihren beiden Kindern einen Verzicht auf die Pflichtteilsrechte an ihrem Nachlass und errichtete ein weiteres notarielles Testament. Dieses änderte und ergänzte sie mit notarieller Urkunde vom 16.4.2012.
Schließlich errichtete die Erblasserin ein privatschriftliches Testament vom 6.2.2017, in dem sie den Beteiligten zu 1 zu ihrem unbeschränkten und alleinigen Erben einsetzte.
Die "ersteheliche" Tochter der Erblasserin starb am 4.11.2018. Gesetzliche Erbin ist ihre Tochter, die Beteiligte zu 2, Enkelin der Erblasserin.
Der Beteiligte zu 1 hat gemeint, das Testament vom 6.2.2017 sei wirksam, eine Bindung des Erbvertrages liege nicht vor. Da die Mutter der Beteiligten zu 2 ein Kind nur der Erblasserin gewesen sei, habe der Erbvertrag nur sicherstellen sollen, dass bei Vorversterben der Erblasserin eine Bindungswirkung hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung für den überlebenden Ehegatten (den vorverstorbenen Ehemann) eintrete. Umgekehrt sei dies nicht gewünscht gewesen, weil von einer Bindung nur ausgegangen werden könne, wenn es sich um gemeinschaftliche Abkömmlinge der Ehegatten handele. Daher sei nur die gegenseitige Erbeinsetzung wechselbezüglich.
Durch den Verzicht vom 22.3.2007 hätten die Kinder der Erblasserin dokumentiert, dass sie mit den Änderungen der Erblasserin im Testament vom 22.3.2007 einverstanden gewesen seien. Daher habe die Erblasserin – selbstverständlich – auch nach 2007 noch weitere letztwillige Verfügungen verfassen können. Die Erblasserin sei berechtigt gewesen, die Erbeinsetzung zugunsten ihrer Tochter zu beschweren oder zu beeinträchtigen, weil nur sie selber ein Interesse an einer wechselbezüglichen Einsetzung ihrer Tochter gehabt habe.
Die Beteiligte zu 2 hat gemeint, infolge der ausdrücklich vereinbarten Bindungswirkung in Ziffer 4 des Erbvertrages seien alle späteren letztwilligen Verfügungen unwirksam. Die Eheleute hätten sich wechselseitig zu Erben, gleichzeitig aber auch die Schlusserben bestimmt. Beide Einsetzungen seien wechselbezüglich, im Übrigen auch ausdrücklich als bindend vereinbart.
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 6.5.2019 die Tatsachen, die zur Begründung des Erbscheinsantrages des Beteiligten zu 1 erforderlich sind, für nicht festgestellt erachtet. Der’Erbvertrag von 1997 sei maßgebend für die Erbfolge. Die späteren letztwilligen Verfügungen seien unwirksam. Auch der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin habe deren Tochter nur zu seiner (Schluss)Erbin bestimmt, weil die Erblasserin ihrerseits den Beteiligten zu 1 als Sohn des Ehemannes zum Schlusserben eingesetzt habe. Beide Ehegatten hätten gleichermaßen Interesse daran gehabt, den Sohn des Mannes und die Tochter der Frau zu Schlusserben einzusetzen. Zudem sei Bindungswirkung ausdrücklich vereinbart worden.
Der Beteiligte zu 1 hat sich gege...