1. Relevanz für Erb- und Vorsorgerechtler
Die Fälle, in denen vorsorge- und betreuungsrechtliche Aspekte im Erbrecht eine Rolle spielen, nehmen weiter zu. Es ist selten, dass ein Erblasser zu Lebzeiten weder unter Betreuung stand, noch für ihn auf der Grundlage von Vorsorgevollmachten gehandelt wurde. Zudem wenden sich zunehmend Mandanten an uns, die zu Lebzeiten ihrer Angehörigen gegen Vermögensverschiebungen durch dubiose Bevollmächtigte vorgehen möchten. Die Änderungen im Betreuungsrecht haben daher für uns direkte Bedeutung.
2. Triebfedern
Der Reformprozess begann im engeren Sinne im Jahre 2018 mit zwei Forschungsaufträgen des BMJV zur Qualität der rechtlichen Betreuung und ihrer Erforderlichkeit. Es sind drei wesentliche Triebfedern für die Reform auszumachen: Zum Ersten den auch durch die Zugangsverpflichtung aus Art. 12 Abs. 3 der UN-Behindertenrechtskonvention geförderten Gedanken der Selbstbestimmung im Betreuungsrecht besser umzusetzen, zum Zweiten die umständliche Verweisungssystematik zwischen Vormundschafts- und Betreuungsrecht mit zum Teil veralteten Regelungsinhalten zu ordnen und die Normen zu modernisieren und zum Dritten die durch Betreuungen verursachten Kosten zu verringern.
3. Strukturelles
Die Zahl und Relevanz der Betreuungen übersteigen die der Vormundschaften bei weitem. So wird uns der demografische Wandel von der Zeit der Konzeption des BGB zum Ausgang des 19. Jahrhunderts bis heute auch hier wieder vor Augen geführt. Aus dem Betreuungsrecht über den § 1908i BGB aF auf zahlreiche, aber nicht alle Normen des Vormundschaftsrecht zu leiten, ist daher nicht mehr zeitgemäß. Folgerichtig wird die Verweisungsstruktur in ihr Gegenteil verkehrt: Die Regelungen insbesondere zur Vermögenssorge und zu Genehmigungstatbeständen finden sich dann im Betreuungsrecht und das Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht verweist dorthin.
Insgesamt ist die Neukonzeption von sehr vielen Bezugnahmen geprägt, was zum Teil zu einem "Verweisungskarussell" führt. Ob das die Anwendung mühsamer gestaltet oder erleichtert, wird sich zeigen.
Vieles wurde sinnvoll modernisiert, insbesondere bei den Vermögensangelegenheit, in denen "Mündelsicherheit" und ähnliche Begriffe schon lange nicht mehr zeitgemäß waren.
4. Inkrafttreten zum 1.1.2023
Das Gesetz tritt erst zum 1.1.2023 in Kraft, um den Beteiligten wie den Betreuungsbehörden genügend Vorbereitungszeit zu geben. Das gibt auch uns Gelegenheit, sich in Ruhe mit den neuen Ziffern, Sortierungen und Inhalten vertraut zu machen. Nachdem das BMJV den Referentenentwurf am 23.6.2020 veröffentlichte, wurde das Gesetz schnell vom Bundeskabinett verabschiedet, nahm seinen Weg durch den Bundestag und Bundesrat, wo nur noch wenige Änderungen vorgenommen wurden. Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten wurde das Gesetz am 12.5.2021 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.