Beim Vorversterben des Bedachten, der nicht Abkömmling ist, findet § 2069 BGB keine, auch keine analoge Anwendung. Eine ergänzende Auslegung kommt aber in Betracht, wenn sich im Testament ein Anhalt dafür findet, dass die Abkömmlinge des Bedachten als Ersatzerben oder Ersatzvermächtnisnehmer berufen sind.
Bei der Einsetzung naher Angehöriger, des Lebenspartners oder des langjährigen Lebensgefährten oder wenn ein sonst besonders nahes Verhältnis bestanden hat, kann es schon nach der Lebenserfahrung gewollt sein, sie als Erste ihres Stamms einzusetzen.
So kann allein in der Einsetzung des Ehegatten ein Anhaltspunkt dafür liegen, dass der Erblasser einen nahen Verwandten des vorverstorbenen Ehegatten als Ersatzerben eingesetzt hätte, wenn er mit dem Vorversterben des eingesetzten Erben gerechnet haben würde.
Ist bei einer bedachten Person, etwa eines leiblichen Abkömmlings, ihre verwandtschaftliche Stellung in der letztwilligen Verfügung angegeben, so kann dies ein hinreichender Anhalt dafür sein, dass auch eine nach Testamentserrichtung geborene Person mit der derselben verwandtschaftlichen Stellung als in gleicher Weise bedacht anzusehen ist. Eine aus Rechtsgründen unwirksame Testamentsvollstreckerbenennung durch den Erblasser kann nach ergänzender Auslegung das Ersuchen des Erblassers auf Benennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht enthalten. Gleiches kann gelten, wenn der vom Erblasser benannte Testamentsvollstrecker vor dem Erbfall verstorben ist oder der ernannte Testamentsvollstrecker das Amt ablehnt. Andererseits kann eine angeordnete Testamentsvollstreckung ganz entfallen, wenn der Erblasser dieses wegen des Lebenswandels des Bedachten angeordnet und eine positive Entwicklung des Erben in der Lebensführung nicht vorhergesehen hat.
Eine Änderung der Vermögensverhältnisse des Erblassers zwischen Testamentserrichtung und Erbfall kann nur im Einzelfall zu einer ergänzenden Testamentsauslegung führen, da der Erblasser in aller Regel den Bedachten unabhängig davon einsetzt, wie hoch sein Vermögen zum Zeitpunkt des Erbfalls sein wird, und auch kein Grund ersichtlich sein wird, warum er ein später hinzugekommenes, hohes Vermögen einer anderen Person zuwenden sollte. Denkbar ist eine ergänzende Testamentsauslegung etwa für die Erstreckung des Vermächtnisses auf den Veräußerungserlös, wenn der Erblasser den zugewendeten Gegenstand vor dem Erbfall veräußert hat oder wenn der Vermögensgegenstand, der Grundlage eines Erbvertrags war, vor dem Erbfall restlos weggefallen ist und im Vermögen zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr unterscheidbar vorhanden und weitgehend aufgezehrt war. Entscheidungen, in denen einer Erbeinsetzung "der Armen" deshalb die Wirkung genommen wurde, weil der Erblasser vor dem Tode noch erheblichen Vermögenszuwachs erzielte, sind hingegen im Ergebnis abzulehnen. Hier kommt nur eine Anfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB wegen Motivirrtums in Betracht. Eine ergänzende Auslegung bei Vermögenszuwachs zwischen Testamentserrichtung und Erbfall scheidet auch dann aus, wenn das Testament Anhaltspunkte dafür enthält, dass der Erblasser den Vermögenszuwachs vorhergesehen hat oder in einem Erbvertrag für einen derartigen Fall vorgesorgt wurde.
Bei einer Änderung der Rechtslage kann eine ergänzende Testamentsauslegung hingegen durchaus in Betracht kommen. Dies betrifft insbesondere die Einführung der Erbberechtigung des nichtehelichen Kindes durch das NEhelG und das Erbrecht des Adoptierten nach der Verwandtschaft des Adoptierenden. Der grundlegende Wandel der staatlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse infolge der deutschen Wiedervereinigung kann ebenfalls zu einer ergänzenden Testamentsauslegung führen. Hat der Erblasser nur über sein Vermögen in den alten Bundesländern verfügt, ohne eine Nachfolgeregelung hinsichtlich des in der DDR liegenden Grundbesitzes zu treffen, so kommt eine ergänzende Testamentsauslegung in Betracht, wenn sich der Wille, über den in der DDR liegenden Grundbesitz verfügen zu wollen, wenigstens andeutungsweise aus der letztwilligen Verfügung selbst ergibt; andernfalls gilt ergänzend gesetzliche Erbfolge.