Die automatische Pflichtteilsstrafklausel oder auch Ausschlussklausel droht als Sanktion der Pflichtteilsgeltendmachung den unmittelbaren Ausschluss von der Schlusserbfolge an. Eine Formulierung kann beispielsweise wie folgt lauten:
Zitat
"Falls eines unserer Kinder nach dem Tode des Erstversterbenden seinen Pflichtteilsanspruch gegen den Längerlebenden gegen dessen Willen verlangt, wird er und sein ganzer Stamm auch nach dem Tode des Längstlebenden enterbt und kann nur den Pflichtteil beanspruchen."
1. Anwendung in der Praxis
Besondere Beachtung bei der Gestaltung der Klausel sollte die Formulierung des Ereignisses finden, das die Klauselfolgen auslöst (auflösende Bedingung). Zahlreiche Beispiele aus der Praxis zeigen, dass die Feststellung des auslösenden Ereignisses nicht immer anhand des Wortlauts unproblematisch erfolgen kann. Grundsätzlich steht bei der Auslegung der Wille der individuellen Erblasser im Vordergrund. Jedoch kann angenommen werden, dass bei einer bestimmten Wortwahl auch bei unterschiedlichen Erblassern vergleichbare Interessen erkennbar sind.
Zu Beginn stellt sich zunächst die Frage, ob überhaupt ein ernsthaftes Verlangen oder Geltendmachen des Pflichtteils vorliegt. Während der Versuch, den Pflichtteil zu erhalten, bereits die Bedingung auslösen kann, reicht es nicht, wenn das Pflichtteilsverlangen nur beiläufig oder im Zustand einer plötzlichen Verärgerung oder Erregung geäußert wird. Ein Auskunfts- oder Wertermittlungsverlangen allein kann ebenfalls nicht als Pflichtteilsverlangen gewertet werden und dies müssten sich die Erblasser folglich sanktionslos gefallen lassen, sofern sie dies nicht ausdrücklich anderweitig regeln. Wird hingegen eine Zahlung durch den überlebenden Ehegatten an einen Abkömmling geleistet, kann diese, auch wenn sie einvernehmlich erfolgte, nach herrschender Rechtsprechung ein Verlangen des Pflichtteils darstellen und die Klausel auslösen. Ein Formulierungsbeispiel, das verschiedene sanktionierte Handlungen berücksichtigt, finden Sie unter 4. Formulierungsvorschlag Pflichtteilsstrafklausel mit Rückausnahme.
Zudem ist zu beachten, dass die Pflichtteilsstrafklausel nach der Rechtsprechung eine nahezu unendliche Wirkung entfaltet, da die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs das Auslösen der Klausel nicht verhindert. Die Verjährung berechtigt zunächst nur zu einem Leistungsverweigerungsrecht. Ob die jeweiligen Erblasser in diesem Fall die Wirkungen der Klausel entfallen lassen wollten, ist im Einzelfall zu erörtern.
Der Ausschluss von der Schlusserbfolge soll die Abkömmlinge schlechter stellen als der Erhalt des Pflichtteils und somit die Abkömmlinge von der Pflichtteilsgeltendmachung abschrecken. Der Abkömmling, der nach dem erstversterbenden Ehegatten den Pflichtteil geltend macht, erhält folglich nach dem letztversterbenden Ehegatten ebenfalls nur seinen Pflichtteil, welcher quotal geringer ist als der Erbteil. Ob in der Praxis der Abkömmling mit den beiden Pflichtteilen (nach dem Erstversterbenden und nach dem Letztversterbenden) statt dem Schlusserbteil tatsächlich schlechter steht, hängt von den Faktoren im Einzelfall ab. Dazu zählt beispielsweise die Vermögensverteilung zwischen den Ehegatten sowie der Lebensstil des überlebenden Ehegatten, der letztendlich den Nachlasswert für die Schlusserben bestimmt. Hat der Erstversterbende das deutlich höhere Vermögen, kann die Pflichtteilsgeltendmachung günstiger sein.
2. Anwendung der Pflichtteilsstrafklausel bei Patchworkfamilien
Die Funktion der Pflichtteilsstrafklausel kann nicht ungeprüft auf andere, besondere Lebenssituationen ü...