Zugleich Anmerkung zu OLG Stuttgart v. 13. Dezember 2007 – 19 U 140/07, ZErb 2008, 57
Einführung
In vielen Erbfällen spielen Lebensversicherungen mit Bezugsberechtigungen eine Rolle. Für einen Pflichtteilsberechtigten stellt sich dann die Frage, in welchem Umfang er über seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch an Leistungen des Versicherers an diese Bezugsberechtigten – die nicht selten mit dem oder den Erben identisch sind – teilhaben kann: kommt es auf die gezahlten Prämien des Erblassers oder auf die ausgezahlte Lebensversicherungssumme an? Die zutreffende Antwort hierauf ist aktuell allem Anschein nach umstrittener denn je.
I. Streitstand
Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 13.12.2007 entschieden, dass im Rahmen der Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB aufgrund einer Lebensversicherung zugunsten eines Dritten (weiterhin) allein die Summe der vom Erblasser gezahlten Prämien und nicht die diese übersteigende Versicherungsleistung auf den Todesfall ergänzungserheblich sei. Eine Übertragung der neuen Rechtsprechung des BGH im Insolvenzanfechtungsrecht hat es abgelehnt, da im Rahmen des Pflichtteilsrechts anders als im Insolvenzrecht nicht auf die Bereicherung des Dritten, sondern auf die Entreicherung des Vermögens des Erblassers abzustellen sei.
Das OLG wendet sich damit gegen eine – wie man so schön zu formulieren pflegt – "im Vordringen begriffene" Auffassung, die die Grundsätze des BGH-Urteils im Insolvenzrecht übertragen will, zumal die vom OLG angeführte BGH-Rechtsprechung des Erbrechtssenats zum Schenkungsgegenstand iSv § 2325 BGB schon vor dem eben genannten Grundsatzurteil des BGH im Insolvenzrecht alles andere als unumstritten war.
Die Vorinstanz, das LG Tübingen Az. 5 O 294/05, stellte dagegen die Versicherungsleistung auf den Todesfall in den Ergänzungsnachlass ein. Auch die Landgerichte Göttingen und Paderborn haben entschieden, dass mit Blick auf die Entscheidung des BGH zum Insolvenzrecht auch im Pflichtteilsrecht nicht mehr die Prämien, sondern die Versicherungssumme als Zuwendungsgegenstand zu betrachten sei. Unter ausdrücklicher Anknüpfung an das LG Göttingen hat sich nun auch das OLG Düsseldorf dieser Auffassung angeschlossen. Diese Trendwende ist in der Literatur auf Zustimmung gestoßen; bezüglich weiterer Nachweise sei auf die Anmerkung von Sticherling verwiesen, der selbst auch der neuen Auffassung folgt.
Allerdings gibt es auch "reaktionäre" Bestrebungen, die am alten Zustand festhalten wollen. So hat neben dem OLG Stuttgart auch das LG Köln im selben Sinne entschieden, wenngleich vermutlich in Unkenntnis der neuen Tendenzen. In einer Anmerkung zum Urteil des OLG Stuttgart stimmt Blum dem OLG ausdrücklich zu. Auch Hilbig möchte in einem Beitrag den "bisher einzigen Argumentationsstrang zugunsten der hM vertiefen". Schließlich spricht sich Ahrens für eine Beibehaltung der bisherigen BGH-Rechtsprechung zu diesem Themenkreis aus.
Die Argumente pro und contra sind bereits jahrzehntelang ausgetauscht worden und sollen hier nicht nochmals in Gänze wiederholt werden. Eine umfassende Aufbereitung des Sachstandes (insbesondere auch zur gebotenen Differenzierung nach der Einräumung einer widerruflichen oder unwiderruflichen Bezugsberechtigung) findet sich in einem erschöpfenden Beitrag von Elfring sowie einer Schrift von Hasse, auf die ergänzend verwiesen wird.
II. Eigene Auffassung
ME ist der neueren Auffassung zu folgen. Ich möchte mich im nachfolgenden Beitrag auf die Fallgruppe einer widerruflichen Bezugsberechtigung beschränken und hieran den Schenkungsgegenstand...