Leitsatz
Eine "Mittellosigkeit" des Nachlasses liegt nicht mehr vor, wenn der Aktivnachlass für die Auszahlung der Pflegervergütung ausreicht.
LG Schweinfurt, Beschluss vom 9. Juli 2009 – 41 T 64/09
Aus den Gründen
Die zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Die Berechnung der Vergütung richtet sich vorliegend nach den §§ 1960, 1836 I S.2, 3; 1915 I S. 2 BGB. Das Gericht stimmt mit dem Bezirksrevisor ... darin überein, dass eine "Mittellosigkeit" des Nachlasses bereits dann nicht mehr vorliegt, wenn wie hier der Aktivnachlass für die Auszahlung der Pflegervergütung ausreicht. ... Die hieraus auch resultierende Privilegierung der Staatskasse soll nicht zwingend dadurch zunichte gemacht werden, dass eine Mittellosigkeit bereits bei einer Nachlassüberschuldung angenommen wird (vgl. BayObLG JurBüro 00, 431 f; OLG Dresden FamRZ 07, 1833 f mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung "Anwendung des § 3 I VBVG bei Masselosigkeit des Nachlasses", MüKo, BGB, 4. Aufl., Rn 65 zu § 1960; Staudinger 2008, Rn 37 zu § 1960). Die Anmerkungen hierzu bei Palandt, 68. Aufl., sind insoweit widersprüchlich (vgl. Rn 6 zu § 1915 und Rn 24 zu § 1960). Die hiernach festzusetzende Vergütung kann keinen starren Regelungen folgen (so etwa OLG Dresden aaO), sondern sie ist für jeden Einzelfall anhand konkreter Erwägungen zu prüfen. Maßgebend waren die Gründe, die der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom ... aufführte. Er ist Rechtsanwalt, seine Kenntnisse waren im vorliegenden Fall eines noch werbenden Unternehmens wertvoll. Darüber hinaus auch seine Qualifikation als Fachanwalt für Steuerrecht, auch wenn dies für seine Auswahl durch das Gericht nicht maßgeblich war. Auf der anderen Seite wurde recht zeitnah eine vorläufige "starke", später eine endgültige Insolvenzverwaltung angeordnet, die Aufgaben gingen auf den Verwalter über. Etwaige Gläubigerinteressen bleiben insoweit außer Bertacht, als die Tätigkeit des Pflegers zumindest mittelbar auch ihren Interessen diente. (...)
Anmerkung
Im vorliegenden Fall war ein Rechtsanwalt als Nachlasspfleger bestallt worden; im Nachlass befanden sich eine noch tätige Unternehmung (Baugewerbebetrieb mit 5 Beschäftigten) und 2 Immobilien. Die Immobilien waren voll zugunsten einer Bank verhaftet; der Wirkungskreis der Pflegschaft umfasste die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses; sie war daher mit nicht unerheblichen sozialrechtlichen und steuerlichen Haftungsrisiken verbunden. Der Nachlasspfleger musste nach ca. 3 Wochen und 26 Stunden (unstreitig) Tätigkeit wegen dann festgestellter Überschuldung einen Nachlassinsolvenzantrag stellen.
Die Entscheidung des Landgerichts beschäftigt sich einerseits mit der Frage, ob eine Mittellosigkeit des Nachlasses vorliegt (was aufgrund des vorhandenen Aktivnachlasses verneint wird) und andererseits mit der Höhe der angemessenen Vergütung (nachdem nachlassgerichtlicherseits ein angemessener Stundensatz von EUR 50,00 zuzüglich Umsatzsteuer zugebilligt wurde) im Rahmen des durch den Rechtsanwalt als Nachlasspfleger eingeleiteten sofortigen Beschwerdeverfahrens.
Der Beschluss gibt Richtlinien für die Praxis der Nachlasspflegervergütung. Diese ist bislang durchaus diffus, wobei grundlegend auf Zimmermann "Die Vergütung des Nachlasspflegers bei vermögendem Nachlass", ZEV 2001, 15 f, zu verweisen ist; weiterführend sind auch zwei obergerichtliche Entscheidungen (OLG Dresden ZEV 2007, 526 ff; OLG Zweibrücken NJW-RR 2008, 369).
RA Thomas Wolfrum, FAStR, Schweinfurt