Einführung
Am 4. Februar 2010 unterzeichneten die Justizministerinnen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Frankreich, Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Mme Michèle Alliot Marie, ein "Abkommen über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft". Ziel dieser Vereinbarung ist nach der Mitteilung des BMJ die Schaffung eines attraktiven Güterstands, der – vor allem in grenzüberschreitenden Ehen – die Möglichkeit bietet, einen beiden Rechtsordnungen bekannten Güterstand zu wählen und die komplizierten Antworten des Internationalen Privatrechts zu vermeiden. Von anderer Seite wird vorgetragen, dass in grenzüberschreitenden Ehen die Entscheidung für das Güterrecht eines der beiden Staaten die Eheleute leicht in Verlegenheit bringen könne. Der deutsch-französische Wahlgüterstand gebe hier die Möglichkeit zu einer "neutralen" Option. Das Abkommen ist als "Initialzündung" gedacht. Das Abkommen muss noch von den Parlamenten in beiden Staaten werden. Bis zum Inkrafttreten wird daher voraussichtlich noch ein Jahr verstreichen. Man hofft, dass weitere EU-Mitgliedstaaten dem Abkommen beitreten werden und der Wahlgüterstand auf diese Weise über Frankreich und Deutschland hinaus Verbreitung findet.
I. Internationaler Anwendungsbereich des Wahlgüterstands
Gem. Art. 1 des deutsch-französischen Abkommens über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft (im Weiteren: Abk.) steht der Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft allen Ehegatten zur Verfügung, deren Güterstand dem Sachrecht eines Vertragsstaates unterliegt. Damit hat die Kommission, die mit dem Entwurf des Abkommens beauftragt war, darauf verzichtet, den internationalen Anwendungsbereich des Abkommens selbstständig zu bestimmen. Vielmehr wird in Bezug auf den internationalen Geltungsbereich auf das Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten – im vorliegenden Fall also Frankreich und Deutschland – verwiesen. Dies entspricht der Sichtweise, dass man "komplizierte kollisionsrechtliche Lösungen" vermeiden sollte, indem man ein einheitliches Sachrecht schafft. In der Tat ergeben sich auch in der Praxis Fallkonstellationen, in denen das kollisionsrechtliche Ergebnis auf diese Weise dahingestellt bleiben kann:
Leben deutsche Verlobte zum Zeitpunkt der Heirat in Frankreich, so gilt aus deutscher Sicht gem. Art. 15 Abs. 1 iVm Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB deutsches Recht als Güterstatut. Aus französischer Sicht gilt gem. Art. 4 des für Frankreich seit dem 1. September 1992 in Kraft getretenen Haager Ehegüterrechtsabkommens vom 14. März 1978 das französische Wohnsitzrecht. Haben die Eheleute den Wahlgüterstand vereinbart, so gilt dieser unabhängig davon, ob deutsches oder französisches Recht Güterstatut ist.
Eindeutig zu lösen sind weiterhin die Fälle, in denen Eheleute deutscher Staatsangehörigkeit in Deutschland leben oder französische Eheleute ihren Wohnsitz in Frankreich haben. Hier fehlt zwar möglicherweise jeder Bezug zum anderen Abkommensstaat oder gar zum Ausland allgemein. Dennoch ist hier aber der Anwendungsbereich des Abkommens eröffnet, denn dieses verlangt ausschließlich die Geltung des Rechts eines Abkommensstaates als Güterstatut, damit der Anwendungsbereich eröffnet ist. Der Wahlgüterstand stellt sich damit als zusätzliche Option zu den bereits im französischen code civil bzw. im deutschen BGB kodifizierten Wahlgüterständen dar – und könnte gut auch in diese Gesetzbücher als zusätzlicher Wahlgüterstand (in das deutsche BGB also als "Wahl-Zugewinngemeinschaft" und in das französische Recht als "Wahlgüterstand der Zugewinngemeinschaft-II") übernommen werden.
Die kollisionsrechtliche Vorprüfung wird durch das Abkommen dennoch nicht entbehrlich. Insbesondere führt der Verzicht auf Kollisionsnormen dazu, dass in einigen Fällen aus Sicht des Rechts eines der Vertragsstaaten das Recht eines Drittstaates Güterstatut sein kann, sodass Entscheidungsdivergenzen möglich bleiben:
Leben deutsche Verlobte bei Heirat in den Niederlanden und verziehen sie ein Jahr später nach Frankreich, so ist aus deutscher Sicht die anlässlich des Umzugs erfolgte Vereinbarung des Wahlgüterstands wegen der Geltung des gemeinsamen deutschen Heimatrechts für ihre güterrechtlichen Beziehungen gem. Art. 15 iVm Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB wirksam. Aus französischer Sicht dagegen würde das niederländische Wohnsitzrecht gelten (Art. 4 Haager Ehegüterrechtsabkommen). Da das niederländische Recht den Wahlgüterstand (noch) nicht kennt, hinge...