(a) Zuwendung des Surrogats nach der Auslegungsregel des § 2173 Satz 2 BGB
Das Forderungsvermächtnis begründet nach § 2173 Satz 1 BGB nicht nur einen Anspruch auf die Forderung, sondern im Zweifel auch auf deren Surrogat. Bei dem Vermächtnis einer Geldforderung wird darüber hinaus gem. § 2173 Satz 2 BGB sogar bei Untergang des Surrogats vermutet, dass der Erblasser dem Vermächtnisnehmer einen Zahlungsanspruch in Höhe der vermachten Geldforderung zuwenden wollte. Ist Gegenstand des Vermächtnisses eine dem Erblasser zustehende Forderung, gerichtet auf die Zahlung einer Geldsumme, gilt im Zweifel die vor dem Erbfall zur Erfüllung gezahlte Geldsumme als vermacht, auch wenn sie sich in der Erbschaft nicht mehr vorfindet. Vermacht der Erblasser z. B. die Forderung aus einem Sparkassenbrief oder aus Termingeldern oder eine Forderung verbriefende Wertpapiere, bezieht sich das Vermächtnis auf den Gegenwert, der dem Erblasser in Erfüllung der Forderung zugeflossen ist und auf einem Erblasserkonto gutgeschrieben wurde.
Der hypothetische Erblasserwille kann aber auch dahingehend auszulegen sein, dass das Vermächtnis zu kürzen ist oder gänzlich entfällt, wenn der Erblasser die zur Erfüllung gezahlte Geldleistung ersatzlos verbraucht hat.
(b) Widerlegung der Auslegungsregel bei Sparbüchern und laufenden Konten
Die Auslegungsregel des § 2173 Satz 2 BGB gilt aber bei dem Vermächtnis eines Sparbuchs oder laufenden Kontos als widerlegt, da der Erblasser regelmäßig nur die beim Erbfall noch vorhandene Forderung einschließlich abgehobener und anderweitig angelegter Guthaben vermachen will. Hat der Erblasser nach Testamentserrichtung den vermachten Kontenbestand abgehoben und bei einem anderen Kreditinstitut angelegt, bleibt das Vermächtnis – wenn nicht ausnahmsweise der hypothetische Erblasserwille entgegensteht – bestehen. Als mitvermacht gelten in der Regel auch Guthaben, die der Erblasser nach Testamentserrichtung zwar abgehoben, aber nicht verbraucht hat.
Das Vermächtnis eines Sparbuchs umfasst hingegen nach dem Erblasserwillen regelmäßig nicht das Guthaben, das der Erblasser nach Testamentserrichtung abgehoben und verbraucht hat. Nach allgemeiner Erfahrung ist nur der wirtschaftlich beim Erbfall noch vorhandene Rest des Sparguthabens zugewandt, nicht aber zusätzlich der Gegenwert der vom Erblasser verbrauchten Beträge. Für das Vermächtnis eines Sparbuchs gilt somit zwar grundsätzlich die Auslegungsregel des § 2173 Satz 2 BGB, sodass sich das Vermächtnis auf die zur Erfüllung der Sparforderung geleistete Geldsumme erstreckt, aber mit der Beschränkung auf das beim Erbfall noch vorhandene Guthaben. Diese allgemeine Erfahrungsregel kann jedoch nicht eine Erforschung des Erblasserwillens ersetzen. Es ist daher jeweils im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, ob entsprechend der allgemeinen Erfahrungsregel nur der vorhandene Rest des Sparguthabens zugewandt werden soll oder ob der Erblasser spätere lebzeitige Verfügungen nicht zulasten des Vermächtnisnehmers gehen lassen wollte, mithin das bei Testamentserrichtung vorhandene Sparguthaben zuwenden wollte, auch wenn dieses beim Erbfall nicht mehr vorhanden ist. Zur Ermittlung des Erblasserwillens sind maßgeblich die Vorstellungen des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung und die seinerzeitigen Vermögensverhältnisse heranzuziehen.