Für den Nachweis der Ungenauigkeit der Lehre vom steuerlichen Nebenmotiv und die richtige Antwort auf die Frage, ob und ggf. wann steuerliche Motive tatsächlich ein Adoptionshindernis darstellen, muss zunächst ein Blick auf die gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Volljährigenadoption gerichtet werden:
a) Das Wohl des Anzunehmenden
Nach § 1767 Abs. 2 Satz 1 iVm § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB muss die Volljährigenadoption – wie die Adoption eines Minderjährigen – dem Wohl des Anzunehmenden dienen. Weil anerkannt ist, dass der geschäftsfähige Anzunehmende durch den Adoptionsantrag selbst die Entscheidung darüber trifft, ob die Adoption seinem Wohl dient, bereitet diese Adoptionsvoraussetzung der Praxis keine Probleme.
b) Das bereits entstandene oder zu erwartende Eltern-Kind-Verhältnis
Adoptionsvoraussetzung ist weiter, dass zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden entweder bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden (§ 1767 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB) oder die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu erwarten ist (§ 1767 Abs. 2 Satz 1 iVm § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Ob ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist, ist aufgrund aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In Rechtsprechung und Literatur haben sich hierfür insbesondere folgende Merkmale herausgebildet: Ein Eltern-Kind-Verhältnis soll eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand voraussetzen, wie ihn sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise leisten. Maßgeblich sollen eine dauernde innere seelisch-geistige Verbundenheit sein, wie sie zwischen Eltern und Kind auch nach dessen Volljährigkeit geprägt bleibt, sowie ein soziales Familienband, das seinem ganzen Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenen ähnelt.
Weil diese Kriterien einer gerichtlichen Überprüfung oft nur begrenzt zugänglich sind, entscheidet die Rechtsprechung in der Regel unter Zuhilfenahme folgender Indizien darüber, ob ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht: Der Altersunterschied zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden soll demjenigen zwischen leiblichen Eltern und deren Kindern gleichen. Persönlicher Umgang und gegenseitige Mitteilung von wichtigen Familienereignissen sollen ebenso für ein Eltern-Kind-Verhältnis sprechen wie die gegenseitige Unterstützung bei Krankheit und wirtschaftlicher Not. Hingegen sollen Verständigungsschwierigkeiten, Angehörigkeit zu verschiedenen Kulturkreisen oder gesellschaftlichen Schichten sowie das Vorhandensein einer eigenen intakten Familie einem echten Eltern-Kind-Verhältnis tendenziell entgegenstehen. Für die Beurteilung, ob ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist, ist daher entscheidend, wie sich die Beziehung der Adoptionsbeteiligten äußerlich darstellt und ob sie durch nachvollziehbare und glaubwürdige Schilderungen der Betroffenen belegt ist.
Noch größere Schwierigkeiten als die Frage nach einem bereits entstandenen bereitet die Frage nach einem zukünftig entstehenden Eltern-Kind-Verhältnis. Rechtsprechung und Literatur verlangen, dass sich die Erwartung auf vergangene und gegenwärtige Umstände stützt. Aufgrund der Gesamtumstände darf kein Zweifel daran bestehen, dass sich die Beziehungen zwischen den Beteiligten intensivieren werden. Zur Feststellung stellt die Rechtsprechung auch insoweit auf die vorstehend dargelegten Indizien ab.
c) Die sittliche Rechtfertigung und § 1769 BGB
Schließlich muss die Annahme sittlich gerechtfertigt sein (§ 1767 Abs. 1 BGB) und es dürfen ihr nicht überwiegende Interessen der Kinder des Annehmenden oder des Anzunehmenden entgegenstehen (§ 1769 BGB). Bei dem Kriterium der sittlichen Rechtfertigung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die sittliche Rechtfertigung zielt nicht darauf ab, die Volljährigenadoption übermäßig zu erschweren, sondern soll ihren Missbrauch verhindern. Gerade bei Prüfung der sittli...