Erst wenn man zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Eltern-Kind-Verhältnis noch nicht entstanden ist, ist zu prüfen, ob zukünftig die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnis zu erwarten und die Volljährigenadoption sittlich gerechtfertigt ist.
Dabei sind nun tatsächlich die Motive der Beteiligten eingehend zu prüfen und die Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen. Vereinzelt wird zwar vertreten, aus § 1767 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB könne geschlossen werden, dass auch bei einem objektiv zu erwartendem Eltern-Kind-Verhältnis – in der Regel – bereits von einer sittlichen Rechtfertigung der Adoption auszugehen sei. Überzeugen kann das nicht. Denn der Gesetzgeber hat die Wirkung des § 1767 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB ausdrücklich nicht auf das zu erwartende Eltern-Kind-Verhältnisse erstreckt. Der überwiegende Teil der Rechtsprechung und Literatur stellt bezüglich der sittlichen Rechtfertigung der Adoption bei Erwartung eines zukünftigen Eltern-Kind-Verhältnisses mithin darauf ab, ob ein familienbezogenes Motiv entscheidender Anlass für die Annahme ist. Eingedenk der vorstehend dargelegten Entstehungsgeschichte des § 1767 BGB ist das nur konsequent. Familienbezogen sind alle Motive, die auf eine Intensivierung der persönlichen Beziehungen gerichtet sind. Damit scheiden wirtschaftliche Motive klar aus.
Vor dem Hintergrund, dass wirtschaftliche Motive bei Volljährigenadoptionen häufig eine Rolle spielen, fragt sich, in welchem Verhältnis familienbezogene Motive und das Motiv, Erbschaftsteuer zu sparen, stehen. Insoweit ist seit Langem anerkannt: Das familienbezogene muss das Hauptmotiv sein; steuerliche Nebenmotive sind unschädlich. Nach der Feststellung, ob zukünftig die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses zu erwarten ist, stellt die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenmotiv eine weitere Herausforderung dar. Anknüpfungspunkt kann hier die im Raum stehende Steuerersparnis sein. Denn ohne – zumindest annäherungsweise – Berechnung des mit der Adoption im Erbfall verbundenen Steuervorteils wird man eine Gewichtung möglicher steuerlicher Motive nur schwerlich vornehmen können.
Praxishinweis
Soweit sich in einem Adoptionsverfahren eine Tendenz erkennen lässt, dass das Gericht von steuerlichen Motiven der Beteiligten ausgeht, sollten diese näher betrachtet werden. Dadurch kann der Vorhalt, Hauptmotiv der Annahme sei die Ersparnis von Erbschaftssteuer zuweilen entkräftet werden. Insbesondere wenn Betriebsvermögen vorhanden ist, folgt eine steuerliche Entlastung für Personen, die nicht der Steuerklasse I angehören, nämlich bereits aus Privilegierungstatbeständen des ErbStG; insbesondere aus den Befreiungsmöglichkeiten nach § 13 a, b ErbStG und der Tarifbegrenzung des § 19 a ErbStG.