Seit einer Entscheidung des OLG München, die weitreichende Beachtung gefunden hat, verbreitet sich die formelhafte Zusammenfassung, steuerliche Motive dürften Nebenzweck, nicht aber Hauptzweck der Volljährigenadoption sein, mit Macht. Gerade aber diese formelhafte Zusammenfassung ist – wie gesehen – ungenau und birgt das Risiko, dass bei ihrer Berücksichtigung Volljährigenadoptionen unberechtigt abgelehnt werden. Die jüngeren Entwicklungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung zur möglicherweise steuerlich motivierten Volljährigenadoption bedürfen daher sowohl einer Vertiefung als auch einiger Anmerkungen.
1. Beschluss des OLG München vom 19.12.2008 (31 Wx 49/08)
Das OLG München lehnte durch Beschluss vom 19.12.2008 die Zulässigkeit einer Volljährigenadoption ab, bei der steuerliche Motive im Vordergrund standen.
In der Sache sollte ein Neffe durch seine Tante adoptiert werden. Dass steuerliche Motive Hauptzweck der Annahme waren, wurde im Lauf des Verfahrens offenbar. Das OLG München gelangte zu der Überzeugung, dass zwischen dem Neffen und der Tante ein vorbildliches Tante-Neffen-Verhältnis besteht, ein Eltern-Kind-Verhältnis bisher jedoch nicht entstanden sei. Sodann führte das Gericht unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und auf die Kommentierung von Frank wörtlich aus: "Ob die Annahme eines Volljährigen sittlich gerechtfertigt ist, ist Tat- und Rechtsfrage; […]. Ein familienbezogenes Motiv muss entscheidender Anlass für die Annahme sein. Spielen mehrere Motive eine Rolle, so muss das familienbezogene Motiv das Hauptmotiv sein; das Vorliegen weiterer Motive schadet nicht, solange es sich nur um Nebenmotive handelt."
Die Entscheidung des OLG München ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das OLG München ist zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen der Annehmenden und dem Anzunehmenden noch kein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist (§ 1767 Abs. 1, Halbsatz 2 BGB). Gelangt ein Gericht zu dieser Überzeugung, bleibt zu prüfen, ob zukünftig die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnis zu erwarten und die Adoption sittlich gerechtfertigt ist (§ 1767 Abs. 2 Satz 1 iVm § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dabei ist auf die Motive der Beteiligten tatsächlich einzugehen; die Umstände des Einzelfalls sind gegeneinander abzuwägen.
Obwohl die Entscheidung OLG München ausdrücklich einen Fall betraf in dem ein Eltern-Kind-Verhältnis noch nicht entstanden und mithin die Motivfrage erheblich war, werden seine Ausführungen zum steuerlichen Nebenmotiv in Rechtsprechung und Literatur auch auf den Fall übertragen, in dem bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist. Der Grund dafür dürfte mitunter in den veröffentlichten – nicht amtlichen – Leitsätzen der Entscheidung zu suchen sein. Der amtliche Leitsatz der Entscheidung lautete: "Zur Ablehnung einer Volljährigenadoption, bei der steuerliche Motive im Vordergrund stehen." Redaktionen und Schriftleitungen ergänzten als nicht amtlichen Leitsatz: "Ist die beabsichtigte Steuerersparnis nicht bloß erlaubter Nebenerfolg, sondern Hauptzweck der beantragten Adoption, fehlt es an einer sittlichen Rechtfertigung für die Adoption." Die Tatsache, dass dies nur gilt, wenn ein Fall zu entscheiden ist, bei dem ein Eltern-Kind-Verhältnis noch nicht entstanden ist, kann dem Leitsatz leider nicht entnommen werden. Missverständnisse waren, weitere erscheinen vorprogrammiert.
2. Beschluss des OLG Nürnberg vom 8.6.2011 (9 UF 388/11)
Der zur Entscheidung des OLG München publizierte – nicht amtliche – Leitsatz hat zunächst im Schrifttum Verbreitung gefunden und nunmehr auch Eingang in eine Entscheidung des OLG Nürnberg. Das OLG Nürnberg sprach durch Beschluss vom 8.6.2011 eine Volljährigenadoption aus, für die möglicherweise auch steuerliche Motive maßgeblich waren. Der erkennende Senat hat in seinem Beschluss die Entscheidung des OLG München v. 19.12.2008 ausdrücklich in Bezug genommen, obwohl dieser ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde lag.
In der Sache sollte die Anzunehmende durch ein Ehepaar ...