Zugleich eine Anmerkung zu den Beschlüssen: OLG München v. 19. Dezember 2008 (31 Wx 49/08), OLG Schleswig v. 3. Juni 2009 (2 W 26/09) und OLG Nürnberg v. 8. Juni 2011 (9 UF 388/11)
Zusammenfassung
Der Beitrag geht der Frage nach, ob und ggf. wie erbschaft- und schenkungsteuerliche Motive von Adoptionsbeteiligten die Zulässigkeit einer Volljährigenadoption beeinflussen. Bereits vorab: Die in diesem Zusammenhang zunehmend anzutreffende Feststellung, dass steuerliche Vorteile nicht Haupt-, sondern nur Nebenzweck einer Volljährigenadoption sein dürfen (so zuletzt: OLG Nürnberg, Beschluss v. 8.6.2011), ist ungenau und greift zu kurz. Für die Adoptionsbeteiligten kann diese Ungenauigkeit gravierende persönliche und wirtschaftliche Folgen haben.
I. Einleitung
Durch die Reform des Erbschafts- und Schenkungsteuerrechts hat sich zum 1.1.2009 die Steuerlast für Angehörige der Steuerklassen II und III beim Erwerb mittlerer und großer Vermögen deutlich erhöht. Angehörige der Steuerklasse I haben durch die Reform erhebliche Vergünstigungen erfahren; insbesondere wurde der Freibetrag für Abkömmlinge auf 400.000,– EUR erhöht. Dadurch hat sich die bereits bestehende Diskrepanz der steuerlichen Belastung in den verschiedenen Steuerklassen weiter vergrößert. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass in der jüngeren Vergangenheit ein Institut zur Steuerersparnis vermehrt ins Blickfeld der Fachöffentlichkeit geraten ist: die Volljährigenadoption. Denn die Annahme als Kind ermöglicht einem Erbprätendenten den Wechsel aus der Steuerklasse II oder III in die Steuerklasse I. Auch Gerichte beschäftigen sich aufgrund dieses Umstands zunehmend häufiger mit der Frage, ob eine steuerlich motivierte Volljährigenadoption gegeben ist und unter welchen Voraussetzungen eine solche ausgesprochen werden darf.
Unsicherheiten im Umgang mit möglichen steuerlichen Motiven der Adoptionsbeteiligten zeigen sich dabei in Literatur wie Rechtsprechung: und zwar, indem die steuerlichen Auswirkungen der Adoption – oft voreilig – in den Mittelpunkt der Zulässigkeitsprüfung gerückt werden. Der Beitrag behandelt den zutreffenden Umgang mit möglichen steuerlichen Motiven von Adoptionsbeteiligten. Nach einer dogmatischen Abhandlung der Frage, ob und ggf. wann steuerliche Motive überhaupt ein Adoptionshindernis darstellen können (unten II.) werden drei jüngere obergerichtliche Entscheidungen zur steuerlich motivierten Volljährigenadoption besprochen (unten III); am Ende des Beitrags findet sich ein Schema zur Prüfung der Zulässigkeit einer möglicherweise steuerlich motivierten Volljährigenadoption (unten IV).
II. Steuerliche Motive: ein Adoptionshindernis?
Stellen steuerliche Motive von Adoptionsbeteiligten ein Adoptionshindernis dar? Um eine zutreffende Antwort auf diese Frage geben zu können, muss geklärt werden, ob eine steuerlich motivierte Volljährigenadoption unerwünscht, rechtsmissbräuchlich und mithin gesetzlich unzulässig ist.
1. Die Lehre vom steuerlichen Nebenmotiv
In der jüngeren Vergangenheit hat sich in der Rechtsprechung und Literatur als Antwort auf die Frage, welche steuerlich motivierten Volljährigenadoptionen unerwünscht und unzulässig sind, eine vermeintlich einfache Formel verbreitet. Sie lautet: Wo steuerliche Motive der Hauptzweck der Adoption sind, soll deren Ausspruch unzulässig sein; wo steuerliche Motive nur Nebenzweck der Adoption sind, sollen sie dem Ausspruch der Adoption nicht entgegenstehen. Diese formelhafte Zusammenfassung ist ungenau und in ihrer Pauschalität unrichtig. Wer sich auf diese Formel verlässt, läuft Gefahr, eine fehlerhafte Entscheidung über die Zulässigkeit einer steuerlich motivierten Adoption zu fällen.
2. Die gesetzlichen Voraussetzungen der Volljährigenadoption
Für den Nachweis der Ungenauigkeit der Lehre vom steuerlichen Nebenmotiv und die richtige Antwort auf die Frage, ob und ggf. wann steuerliche Motive tatsächlich ein Adoptionshindernis darstellen, muss zunächst ein Blick auf die gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Volljährigenadoption gerichtet werden:
a) Das Wohl des Anzunehmenden
Nach § 1767 Abs. 2 Satz 1 iVm § 1741 Abs. 1 Satz 1 BGB muss die Volljährigenadoption – wie die Adoption eines Minderjährigen – dem Wohl des Anzunehmenden dienen. Weil anerkannt ist, dass der geschäftsfähige Anzunehmende durch den Adoptionsantrag...