Wurde das Aufenthaltsgericht zuerst angerufen, so entfaltet dessen Subsumtion unter Art. 6 EU-ErbVO für das später angerufene Staatsangehörigkeitsgericht Bindungswirkung wie folgt:
a) Feststellung zur Rechtswahl nach Art. 22 EU-ErbVO
Eine Unzuständigerklärung durch das Aufenthaltsgericht gemäß Art. 6 EU-ErbVO kommt nur dann in Betracht, wenn dieses zu der Ansicht gelangt, dass der Erblasser eine Rechtswahl iSv Art. 22 EU-ErbVO getroffen hat.
Würde man dem später angerufenen Staatsangehörigkeitsgericht die Möglichkeit zugestehen, bei Prüfung seiner eigenen internationalen Zuständigkeit – d. h. bei Subsumtion unter die Voraussetzungen des Art. 7 lit. a EU-ErbVO – die Frage nach dem Vorliegen einer Rechtswahl iSv Art. 22 EU-ErbVO erneut aufzuwerfen und losgelöst von der vorhergehenden Beurteilung des Aufenthaltsgerichts zu beantworten, müsste sich das Staatsangehörigkeitsgerichts bei Verneinung einer Rechtswahl für international unzuständig erklären, da es dann seiner Ansicht nach an einer allgemeinen Voraussetzung des Art. 7 EU-ErbVO fehlt. Damit bliebe der negative Kompetenzkonflikt zwischen beiden Gerichten ungelöst.
Mit der Vorschrift des Art. 7 lit. a EU-ErbVO, nach der eine Unzuständigerklärung des Aufenthaltsgerichts für das Staatsangehörigkeitsgericht unmittelbar zuständigkeitsbegründend wirken soll, hat der Verordnungsgeber aber gerade zum Ausdruck gebracht, dass er einen solchen negativen Kompetenzkonflikt vermeiden will. Der Zweck des Art. 7 lit. a EU-ErbVO gebietet es daher, dass das später angerufene Staatsangehörigkeitsgericht die Feststellung des Aufenthaltsgerichts, dass eine Rechtswahl iSv Art. 22 EU-ErbVO vorliege, bei Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit nach Art. 7 lit. a EU-ErbVO nicht infrage stellen darf.
b) Feststellung zur Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 EU-ErbVO
Ruft eine Partei entgegen einer getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung zunächst das derogierte Aufenthaltsgericht an, so hat das Aufenthaltsgericht die Wirksamkeit der Vereinbarung am Maßstab von Art. 5 EU-ErbVO zu prüfen.
aa) Aufenthaltsgericht hält Gerichtsstandsvereinbarung für wirksam
Hält das Aufenthaltsgericht die Gerichtsstandsvereinbarung für wirksam, so hat es sich gemäß Art. 6 lit. b EU-ErbVO für unzuständig zu erklären und die Klage abzuweisen. Dies wirkt für das Staatsangehörigkeitsgericht gemäß Art. 7 lit. a EU-ErbVO unmittelbar zuständigkeitsbegründend. Auf die Frage, ob dieses Prozessurteil Bindungswirkung für die Subsumtion des Staatsangehörigkeitsgerichts unter den Voraussetzungen des Art. 7 lit. b EU-ErbVO entfalten würde, kommt es daher nicht an.
bb) Aufenthaltsgericht hält Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam
Hält das zuerst angerufene Aufenthaltsgericht die Gerichtsstandsvereinbarung hingegen für unwirksam und sich selbst nach Art. 4 EU-ErbVO für international zuständig, so setzt es das Verfahren fort. In diesem Fall hat sich das Staatsangehörigkeitsgericht nach Art. 17 Abs. 2 EU-ErbVO für unzuständig erklären – und zwar auch dann, wenn es hinsichtlich der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung anderer Ansicht ist als das Aufenthaltsgericht. Eine Kompetenz-Kompetenz des vereinbarten (Staatsangehörigkeits-)Gerichts, selbst verbindlich über die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zu entscheiden, besteht demgemäß – anders als künftig im Bereich der EU-GVO gemäß Art. 31 Abs. 2 EU-GVO nF (!) – im Bereich der EU-ErbVO nicht.