I. Der "Gleichlauf" von forum und ius
Art. 4 EU-ErbVO und Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO streben einen "Gleichlauf" von internationaler Zuständigkeit (forum) und anwendbarem Recht (ius) an, indem sowohl die internationale Zuständigkeit als auch das anwendbare Sachrecht dem gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes des Erblassers unterliegen. Mit diesem Gleichlauf bezweckt der Verordnungsgeber, dass ein mitgliedstaatliches Gericht regelmäßig sein eigenes Sachrecht anwenden kann, wie sich ausdrücklich auch aus Erwägungsgrund 27 Satz 1 ergibt.
Der "Gleichlauf" dient dabei der Verfahrensökonomie und der Gerechtigkeit: Gerichte, die ihr eigenes Sachrecht anwenden, entscheiden erstens mit höherer Richtigkeitsgewähr, zweitens schneller und drittens kostengünstiger als bei Anwendung ausländischen Rechts. Die Regelungen über die internationale Zuständigkeit in Kapitel II der EU-ErbVO folgen daher im Grundsatz den kollisionsrechtlichen Regelungen in Kapitel III über das anwendbare Recht.
II. Unterschiedliche Interessenlagen in IPR und IZPR
Auch wenn der "Gleichlauf" rechtspolitisch zu begrüßen ist, dürfen die damit einhergehenden Probleme in der Rechtsanwendung nicht übersehen werden. Kollisionsrechtliche Anknüpfung im Rahmen des Internationalen Privatrechts (IPR) und internationale Zuständigkeit im Rahmen des Internationalen Zivilprozessrechts (IZPR) dienen partiell unterschiedlichen Interessen und Zwecken:
Während es bei der kollisionsrechtlichen Anknüpfung darum geht, den typischen Schwerpunkt ("Sitz") eines Rechtsverhältnisses festzulegen, mithin um materielle Wertungsinteressen, geht es bei der Frage nach der internationalen Zuständigkeit vor allem um formale Interessen. Im Interesse des rechtssuchenden Bürgers an einem effektiven Rechtsschutz müssen die zuständigkeitsbegründenden Umstände und damit der Gerichtsstand ex ante vorhersehbar und damit möglichst einfach feststellbar sein, damit ein langer Streit über die Zulässigkeit der Klage vermieden wird und dem Bürger die Odyssee erspart bleibt, unter mehreren denkbaren Gerichten das zuständige im Wege eines "trial and error" suchen zu müssen.
III. Unschärfe des Begriffs "gewöhnlicher Aufenthalt" in Art. 4 EU-ErbVO
Indem der Verordnungsgeber die internationale Zuständigkeit des Art. 4 EU-ErbVO bewusst an die kollisionsrechtliche Anknüpfung des Art. 21 Abs. 1 EU-ErbVO anlehnt, besteht die Gefahr, dass mit dem in seinen Grenzen und Randbereichen unscharfen Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" eine Zuständigkeitsregel in das internationale Zivilprozessrecht Einzug hält, bei der das Ergebnis der Rechtsanwendung für den Rechtsschutz suchenden Bürger ex ante – insbesondere im Vergleich zu einer Anknüpfung der Zuständigkeit an die Staatsangehörigkeit – relativ schwer vorhersehbar ist. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten im gleichen Fall bei der Subsumtion unter Art. 4 EU-ErbVO "vertretbar" zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, w...