Durch eine Befassung des EuGH mit der Rechtssache ließe sich allerdings der negative Kompetenzkonflikt zweier mitgliedstaatlicher Gerichte nicht vollständig lösen – und damit ein effektiver Rechtsschutz für den betroffenen Bürger (anders als bei einer strikten Bindung des Zweitgerichts an die Subsumtion des Erstgerichts) nicht in allen Fällen erreichen:
Zwar kann das Zweitgericht, das von der Zuständigkeitsbeurteilung des Erstgerichts und dessen Auslegung der Artt. 4 ff EU-ErbVO und Subsumtion hierunter abweichen will, den EuGH durch eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV mit der Rechtssache befassen. Die Vorlagefrage im Verfahren nach Art. 267 AEUV kann das vorlegende Zweitgericht aber nicht dergestalt stellen, wie in (s)einem konkreten Fall die Subsumtion zu erfolgen hat. Der EuGH steckt durch seine Auslegung der Artt. 4 ff EU-ErbVO nur einen Rahmen für deren Anwendung ab, Subsumtion und Umsetzung im konkreten Fall bleiben Aufgabe des vorlegenden nationalen Gerichts.
Die für die Auslegung des Begriffs "gewöhnlicher Aufenthalt" in Art. 4 EU-ErbVO erforderliche Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls (vgl. Erwägungsgrund 23 Satz 2) ist daher keine Aufgabe des EuGH, sondern obliegt dem vorlegenden mitgliedstaatlichen Gericht, dem hierbei ein erheblicher Entscheidungsspielraum eingeräumt wird – freilich unter Beachtung der Rechtsauffassung des EuGH. Damit erscheint es trotz Vorlage nach Art. 267 AEUV an den EuGH nicht als ausgeschlossen, dass zwei mitgliedstaatliche Gerichte im Rahmen ihrer eigenen Gesamtbeurteilung – und zwar beide "vertretbar" – zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen und den gewöhnlichen Aufenthalt iSv Art. 4 EU-ErbVO in unterschiedlichen Mitgliedstaaten verorten.
Sofern man in Beispiel 1 eine Bindung des (deutschen) Zweitgerichts an die Subsumtion des (italienischen) Erstgerichts unter die Voraussetzungen des Art. 4 EU-ErbVO verneint, könnten sich beide Gerichte im Rahmen der nach Art. 4 EU-ErbVO vorzunehmenden Gesamtbeurteilung "vertretbar" für international unzuständig halten: Das italienische Gericht könnte einen gewöhnlichen Aufenthalt des E in Italien gestützt auf dessen ausschließlich deutsche Staatsangehörigkeit vertretbar verneinen (vgl. Erwägungsgrund 24 Satz 5), das deutsche Gericht könnte einen gewöhnlichen Aufenthalt des E in Deutschland gestützt auf die längere Aufenthaltsdauer des E in Italien – acht Monate pro Jahr – vertretbar verneinen (vgl. Erwägungsgrund 23 Satz 2).