Ob und ggf. inwieweit ein später angerufenes Gericht an die Feststellungen eines anderen mitgliedstaatlichen Gerichts, das sich selbst für international unzuständig erklärt hat, gebunden ist, stellt sich als Frage auch bei anderen EU-Verordnungen; diskutiert wird dies insbesondere im Hinblick auf die Anerkennungsregeln der Artt. 32, 33 Abs. 1 EU-GVO (künftig: inhaltlich unverändert in Artt. 2 lit. a, 36 Abs. 1 EU-GVO nF) und Artt. 2 Abs. 1 Nr. 1, 23 Abs. 1 EU-UnterhVO.
I. Stellungnahmen im Schrifttum
1. Bindung an den Tenor des Prozessurteils
Hat sich ein Gericht gemäß Art. 26 Abs. 1 EU-GVO (bzw. Art. 10 EU-UnterhVO) rechtskräftig für international unzuständig erklärt, so stellt sich als erste Frage, ob diese – aus Sicht des deutschen Zivilprozessrechts als Prozessurteil einzuordnende – Entscheidung überhaupt nach Art. 33 Abs. 1 EU-GVO (bzw. Art. 23 Abs. 1 EU-UnterhVO) anzuerkennen ist.
Die überwiegende Ansicht im Schrifttum erstreckt die Anerkennungsregeln des Art. 33 Abs. 1 EU-GVO auch auf Prozessurteile. Da die Artt. 2 ff EU-GVO einheitliche Regeln für die internationale Zuständigkeit enthalten, darf sich das Zweitgericht jedenfalls zum Tenor des Erstgerichts nicht in Widerspruch setzen: Ein deutsches Gericht darf demnach ein ausländisches Gericht, das seine Zuständigkeit bereits rechtskräftig verneint hat, nicht als international zuständig ansehen. Hat umgekehrt ein deutsches Gericht sich bereits rechtskräftig für international unzuständig erklärt, so dürfen die Gerichte anderer Mitgliedstaaten eine Klage nicht mit der Begründung als unzulässig abweisen, das deutsche Gericht sei international zuständig.
2. Bindung auch an die tragenden Entscheidungsgründe?
Ist danach die grundsätzliche Anerkennungsfähigkeit von klageabweisenden Prozessurteilen nach Art. 33 Abs. 1 EU-GVO (bzw. Art. 23 Abs. 1 EU-UnterhVO) zu bejahen, stellt sich die zweite Frage, ob sich die Bindungswirkung eines klageabweisenden Prozessurteils nur auf dessen Tenor bezieht oder darüber hinaus auch auf alle Feststellungen in den Urteilsgründen, die diesen Tenor tragen.
Teilweise begrenzt man die Bindungswirkung auf den Tenor des klageabweisenden Prozessurteils, also auf die "negative" Feststellung, dass das ausländische Gericht (Erstgericht) international nicht zuständig sei; die in den Urteilsgründen des Prozessurteils enthaltene "positive" Feststellung, dass das deutsche Gericht (Zweitgericht) oder die Gerichte eines konkreten anderen Mitgliedstaats international zuständig seien, binde hingegen das Zweitgericht nicht. Begründet wird dies damit, dass eine Bindung an eine in den Urteilsgründen enthaltene positive Zuständigkeitsfeststellung im Ergebnis auf eine bindende Zuständigkeitsverweisung hinausliefe; eine solche aber in der EU-GVO (bzw. in der EU-UnterhVO) – anders als etwa in § 281 ZPO – nicht vorgesehen sei.
Die überwiegende Gegenansicht im Schrifttum bejaht demgegenüber eine Bindung des Zweitgerichts auch an die den klageabweisenden Tenor stützenden Feststellungen zur internationalen Zuständigkeit, sodass das Zweitgericht letztlich vollständig an die Subsumtion des Erstgerichts unter den Voraussetzungen der Artt. 2 ff EU-GVO gebunden ist. Sofern ein ausländisches Prozessurteil, durch das sich das Gericht im Tenor nach Art. 26 Abs. 1 EU-GVO für unzuständig erklärt hat, zugleich in seinen Urteilsgründen die deutschen Gerichte für international zuständig hält, ist ein deutsches Gericht (auch) hieran gebunden.
II. Urteil des EuGH in der Rechtssache C-456/11
Mit Urteil vom 15.11.2012 hat der EuGH in der Rechtssache "Got...