Leitsatz
Die Ausübung eines erbvertraglich angeordneten Übernahmerechts ist als Anordnung einer Erbauseinandersetzung gemäß § 2048 BGB zu verstehen und erfüllt damit die Gebührenprivilegierung der Nr. 14110 GNotKG-KV.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 8 W 255/15
Sachverhalt
Im Grundbuch von Stuttgart-Feuerbach war als Alleineigentümer des Grundbesitzes Gemarkung Stuttgart-Feuerbach, Bl 10.058, Flurstück 392/3, ..., Gebäude- und Freifläche, 2,26 a, bebaut mit einem 3-Familienhaus, der Erblasser, ..., eingetragen, der am 11. März 2014 verstorben ist. Aufgrund des notariellen Erbvertrags zwischen ihm und seiner Ehefrau vom 7. September 2004 wurden nach dem Letztversterbenden die acht gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt, so auch der Kostenschuldner zu einem Achtel. In § 4 des Erbvertrags wurde diesem ein Übernahmerecht an dem vorgenannten Grundstück eingeräumt zu einem Übernahmepreis von 90 % des Verkehrswerts, der durch den Gutachterausschuss der Stadt Stuttgart festgestellt werden sollte.
Das Übernahmerecht wurde vom Kostenschuldner ausgeübt und infolgedessen schlossen die Erben am 9. März 2015 einen notariellen Übernahmevertrag, wonach der Beteiligte Z. 1 das Grundstück übertragen erhielt zu einem Übernahmepreis von 283.500 EUR (90 % des von der Stadt Stuttgart ermittelten Verkehrswertes von 315.000 EUR), wovon auf jeden Miterben ein Teilbetrag von 35.437,50 EUR entfiel. In dem notariellen Vertrag wurde zugleich die Auflassung erklärt und vom Veräußerer die Eintragung der Eigentumsänderung in das Grundbuch bewilligt sowie vom Erwerber beantragt.
Nach Vollzug der Eigentumsänderung hat das Notariat – Grundbuchamt – Stuttgart-Feuerbach mit der Kostenrechnung vom 11. März 2015 nach Nr. 14110 GNotKG-KV beim Kostenschuldner eine Gebühr von 535 EUR erhoben, gegen deren Ansatz sich dieser mit seiner Erinnerung vom 8. Mai 2015 gewandt hat. Nach Nichtabhilfe durch das Notariat vom 20. Mai 2015 und Einholung einer Stellungnahme der Bezirksrevisorin vom 2. Juni 2015 hat das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt mit Beschluss vom 3. Juni 2015 die Erinnerung als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kostenschuldner mit Schreiben vom 18. Juni 2015, eingegangen am 22. Juni 2015, Beschwerde erhoben, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 22. Juni 2015 nicht abgeholfen hat. Die dem Landgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegten Akten wurden von diesem an das zuständige Oberlandesgericht abgegeben.
Aus den Gründen
Die gemäß § 81 Abs. 2 S. 1 GNotKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Während in § 60 Abs. 4 KostO geregelt war, dass die Gebühren nach den Abs. 1–3 nicht erhoben werden bei Eintragung von Erben des eingetragenen Eigentümers, wenn der Eintragungsantrag binnen zwei Jahren seit dem Erbfall bei dem Grundbuchamt eingereicht wird, hat der Gesetzgeber die hier zur Anwendung kommende Gebührennorm Nr. 14110 GNotKG-KV abgeändert:
Zitat
"Eintragung "
1. eines Eigentümers oder von Miteigentümern oder
2. von den Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Wege der Grundbuchberichtigung 1,0
I
1.Die Gebühr wird nicht für die Eintragung von Erben des eingetragenen Eigentümers oder von Erben des Gesellschafters bürgerlichen Rechts erhoben, wenn der Eintragungsantrag binnen zwei Jahren seit dem Erbfall bei dem Grundbuchamt eingereicht wird. 2 Dies gilt auch, wenn die Erben erst infolge einer Erbauseinandersetzung eingetragen werden.
II …“
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung (Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, Drucksache 17/11471, Seite 206) ist hierzu ausgeführt:
Zitat
"Abs. 1 der Anm. übernimmt die in § 60 Abs. 4 KostO enthaltene Privilegierung für die Eintragung von Erben des eingetragenen Eigentümers und erweitert diese um Erben des Gesellschafters bürgerlichen Rechts ... Die Grundbuchberichtigung dient dem öffentlichen Interesse an der Richtigkeit der Grundbücher. S. 2 der Anm. ist neu und soll die umstrittene Frage, ob Erben, die infolge einer Erbauseinandersetzung im Grundbuch eingetragen werden, noch an der Gebührenvergünstigung teilnehmen (vgl. dazu Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 18. Aufl., § 60 Rn 59, 60), positiv entscheiden. Durch diese Vergünstigung soll die zeitnahe Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften gefördert werden, um die Perpetuierung im Grundbuch möglichst zu vermeiden. Andernfalls kann es bereits nach wenigen aufeinanderfolgenden Erbfällen zu höchst unübersichtlichen Grundbüchern kommen, deren Bereinigung oftmals auch erhebliche materiell-rechtliche Schwierigkeiten nach sich ziehen kann."
Bei der erforderlichen Subsumtion unter die Gebührennorm der Nr. 14110 GNotKG ist vorliegend festzustellen, dass es sich um die Eintragung eines Erben des eingetragenen Eigentümers handelt, allerdings nicht im Wege der Grundbuchberichtigung, sondern nach Ausübung des erbvertraglich eingeräumten Übernahmerechts, Abschluss eines Übernahmevertrages zwischen sämtlichen Erben einschließlich Auflassung, Eintragungsbewilligung und –antrag.
Nachdem dieser auch binnen zwei ...