Nach Inkrafttreten des ErbVerjRÄndG richtet sich die Verjährung nunmehr nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 195, 199 BGB.
1. Anlaufen der Verjährung
Abweichend von der bisherigen Rechtslage des § 2332 BGB aF läuft die kurze kenntnisabhängige Verjährung nunmehr nicht mehr unterjährig, sondern als Jahresendverjährung zum Ablauf des Jahres, in dem die notwendige Kenntnis vorlag oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte vorliegen müssen, an.
2. Vorlage der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis
4.2.1 a)
Das Anlaufen der Verjährung setzt – nach wie vor – die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Eintritt des Erbfalls voraus. Diese Kenntnis liegt nach wohl allgemeiner Auffassung vor, sobald der Berechtigte vom Tod des Erblassers erfährt.
Neu im Verhältnis zu § 2332 BGB aF ist, dass die Verjährung auch dann anläuft, wenn sich der Gläubiger in grob fahrlässiger Unkenntnis befindet. Wann in diesem Punkt eine grob fahrlässige Unkenntnis anzunehmen ist, lässt sich nicht abschließend beantworten, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, die anhand der hierzu allgemein entwickelten Kriterien zu beurteilen sind. Zur Bejahung der grob fahrlässigen Unkenntnis ist erforderlich, dass der Gläubiger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Erwägungen nicht angestellt oder dasjenige nicht bedacht hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Eine allgemeine Obliegenheit zur Nachforschung besteht aber gerade nicht. Ein derart grobes Versäumnis mag bei einem (potentiell) Pflichtteilsberechtigten etwa dann anzunehmen sein, wenn er trotz Kenntnis einer in absehbarer Zeit tödlich verlaufenden Erkrankung des Erblassers sich über einen geraumen Zeitraum nicht um die Kenntniserlangung von dessen Überleben oder Versterben kümmert. Denkbar ist auch, dass bei Kenntnis einer möglichen Betroffenheit des Erblassers von einem Katastrophenfall oder dem Erhalt mehrerer Kondolenzbekundungen nach Ablauf einer gewissen Zeit keine weitergehenden Auskünfte eingeholt werden und sich dieses Verhalten betreffend ganz naheliegender Ermittlungen als geradezu unverständlich herausstellt.
4.2.2 b)
Das Anlaufen der Verjährung setzt ferner voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von der ihn enterbenden oder beschränkenden letztwilligen Verfügung erhält oder sich – abweichend zur alten Rechtslage – in diesem Aspekt in grob fahrlässiger Unkenntnis befindet. Ein Erfordernis, die ihn beeinträchtigende Urkunde tatsächlich gesehen zu haben, besteht nach wie vor nicht, sodass bereits die sonstige Kenntniserlangung – etwa durch mündliche Mitteilung des Inhalts – ausreichend sein kann. Erforderlich ist, dass der Berechtigte als wesentlichen Inhalt der Urkunde erkannt hat, dass er durch die in ihr enthaltene Verfügung von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen oder in ihr hinreichend beeinträchtigt ist, was jedoch weder eine Prüfung in allen Einzelheiten noch eine fehlerfreie Bestimmung der rechtlichen Natur der Verfügungsinhalte erfordert.
4.2.3 c)
Schließlich ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nunmehr ausdrücklich erforderlich, dass der Pflichtteilsberechtigte von der Person des Schuldners – hier also des Erben – Kenntnis erlangt bzw. sich in grob fahrlässiger Unkenntnis befindet.
4.2.4 d)
Die meisten praktischen Probleme stellen sich in den Konstellationen, in denen durch nachträglich auftauchende (weitere) letztwillige Verfügungen die den Pflichtteilsberechtigten beeinträchtigende Verfügung in Zweifel gezogen, eine andere Person zum Erben eingesetzt wird oder durch Unklarheiten über die Wirksamkeit einer Ausschlagung oder in Folge der Ausschlagung aller bekannten Erben und der Notwendigkeit zur Ermittlung weiterer Erben Unklarheiten auftreten.
4.2.4.1 aa)
Soweit der Bundesgerichtshof im Jahr 1985 zur alten Rechtslage entschieden hat, dass mit Bekanntwerden weiterer Verfügungen des Erblassers die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von der zuvor bekannten Enterbung wie auch der bereits abgelaufene Teil der Verjährungsfrist entfällt, ist an einer Übertragbarkeit dieser Entscheidung auf die aktuelle Rechtslage jedenfalls stark zu zweifeln. Der Bundesgerichtshof begründete seine Entscheidung damals damit, dass § 2332 Abs. 1 BGB aF für diesen Fall lückenhaft und auslegungsbedürftig sei. Im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung sei § 2332 BGB aF dahin ergänzend auszulegen, dass bei einer allem Anschein nach aufgehobenen Enterbung die frühere Kenntnis des Pflichtteilsrechts wie auch die bere...